Wolfgang Ischinger mahnt: Mit China diplomatisch umgehen – Kritik besser hinter verschlossenen Türen

Wolfgang Ischinger, der erfahrene Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, rät von öffentlicher Schelte an China ab und plädiert für Diskretion in der Diplomatie.

heute 08:48 Uhr | 27 mal gelesen

In einem Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ erinnerte Ischinger an altgediente Diplomatie-Regeln: „Große Mächte lassen sich öffentlich nur ungern zurechtweisen.“ Ungeschriebene Gesetze in der Außenpolitik sind manchmal wichtiger als die offiziellen Reden. Gezielte Kritik in kleiner Runde – kein schlechter Rat. Hintergrundlich aufgeladen wird das Ganze durch Johann Wadephul (CDU): Er sagte eine geplante Reise nach China ab, als ihm die Chinesen nicht genug Gesprächspartner bieten wollten. Davor hatte Wadephul – wenig überraschend – Chinas Nähe zu Russland im Ukraine-Konflikt und das Agieren Pekings im Indopazifik wiederholt aufs Korn genommen. Großes Echo. Aber, so Ischinger, die Absage sei wohl kein Weltuntergang, eher so etwas wie ein kleines Malheur im diplomatischen Alltag. China bleibe – trotz aller Irritationen – stark an Kooperationen mit Deutschland und Europa interessiert. Es ist ein Geben und Nehmen. Interessant fand ich auch Ischingers Seitenhieb auf Europas Uneinigkeit. Statt als starker Block aufzutreten, würden die Europäer sich – aus Pekings Sicht – wie 27 kleine Zwerge benehmen. Deutschlands Stimme möge dabei vielleicht minimal lauter sein, aber im Grundsatz verpufft die Wirkung. Und so wird gefordert: Endlich mit einer Stimme sprechen und die Strategie in Richtung China klarer definieren! Gleichzeitig betont Ischinger, dass Deutschland und die EU langsamer als nötig ihre wirtschaftlichen Abhängigkeiten abbauen. "Wir haben es uns zu bequem gemacht", kritisiert er. Das Ziel sei nun, die Lieferketten zu verbreitern, nicht aber sich völlig von China abzukoppeln. Diversifikation eben – mit klugen, mutigen Unternehmerentscheidungen und, wenn es um kritische Rohstoffe geht, staatlicher Unterstützung. Mein persönlicher Eindruck: Zwischen den Zeilen schimmert eine deutliche Warnung, den Ball flach zu halten. Schnelle Schuldzuweisungen bringen nichts, sagt Ischinger, und das ist irgendwie nachvollziehbar. Denn, Hand aufs Herz – die Abhängigkeit kam ja nicht über Nacht, sondern durch langes Augezudrücken in Sachen Preisvorteil.

Ischinger spricht sich für einen zurückhaltenden Umgang mit Kritik gegenüber China aus und betont Diplomatie hinter geschlossenen Türen. Die aktuelle Lage wird von unterschiedlichen Sichtweisen im europäischen Kontext geprägt; eine einheitliche Linie fehlt. Währenddessen fordert Ischinger eine ehrliche Reflexion über eigene wirtschaftliche Interessen und mahnt zu mehr Unabhängigkeit, warnt aber vor plötzlichem Bruch mit China. Aus meiner Recherche der letzten 48 Stunden ergibt sich, dass China und Europa derzeit vor einer sich verschärfenden diplomatischen Belastungsprobe stehen. Nach aktuellen Berichten intensiviert die EU ihre Bemühungen, strategische Abhängigkeiten – insbesondere im Technologiesektor – zu verringern und zugleich diplomatische Kanäle mit Peking offenzuhalten. Chinas jüngste Kritik an europäischen Exportkontrollen und die Verstärkung der politischen Rhetorik in Brüssel deuten auf eine Phase der Neuorientierung – sowohl wirtschaftlich als auch politisch – hin. Gleichzeitig berichten mehrere große Medien darüber, dass deutsche Konzerne ihre Investitionen und Partnerschaften in China sorgfältiger überdenken, um sich auf mögliche geopolitische Verwerfungen einzustellen. Darüber hinaus wird in Leitartikeln betont, dass der Balanceakt zwischen wirtschaftlichen Interessen und einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber Chinas Innen- und Außenpolitik noch lange nicht ausgewogen gelöst ist.

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