Außenpolitik: Syrien unter Druck – Entwicklungshilfe als Hebel?

Nach der umstrittenen Parlamentswahl in Syrien wollen deutsche Außenpolitiker ein härteres Vorgehen gegen die neue Führung – und knüpfen Hilfen gezielt an Fortschritte für Minderheiten.

08.10.25 11:48 Uhr | 72 mal gelesen

Manchmal nagelt einen die Realität auf dem politischen Parkett regelrecht fest: Im Frühjahr war ich zusammen mit der damaligen Außenministerin Baerbock in Damaskus. Unser Ziel war klar – Präsident al-Sharaa ins Stammbuch schreiben, dass Europas Unterstützung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Jeder Quadratmeter Hilfe, so haben wir es formuliert, hat seinen Preis: Respekt für alle ethnischen und religiösen Gruppen. Klingt schön nach diplomatischer Klarheit, aber ehrlich? Die Realität sieht düsterer aus – etwa wenn Berichte über Übergriffe gegen Christen, Drusen und Alawiten durchsickern. Armin Laschet, Chef des Auswärtigen Ausschusses, bringt es auf den Punkt: Die jüngste Wahl ist vielleicht ein Schritt, aber noch kein Beweis für stabile Verhältnisse. Fehler im System? Definitiv. CDU-Mann Roderich Kiesewetter will deshalb die Daumenschrauben anziehen. Entwicklungshilfe als Belohnung – oder Strafe. Wer keine Fortschritte bei Minderheitenrechten zeigt, braucht mit Geld aus Europa gar nicht erst rechnen. SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic blickt indes auf die Gefahr, dass die Macht wieder in wenigen Händen landet – und fordert, dass die gesamten syrischen Communities vom Wiederaufbau profitieren müssen. Währenddessen wirft Max Lucks von den Grünen der Bundesregierung kopfschüttelnd Planlosigkeit vor. Für ihn erstarken al-Sharaa und seine Islamisten täglich, gerade weil die nötigen Reformen ausgeblieben sind. Fakten zur Wahl: Erstmals seit dem Sturz von Bashar al-Assad wurde gewählt – doch ein Drittel der Abgeordneten bestimmte Präsident al-Sharaa allein. Der Rest wurde von etwa 6.000 Delegierten gewählt. Schaut man genauer hin, erkennt man: Zehn Sitze für Minderheiten bei einem Viertel Anteil an der Bevölkerung. Man kann es Diplomatie nennen, oder einfach Augenwischerei. Übergriffe gegen Minderheiten stehen weiterhin an der Tagesordnung. Und Europa steht vor der alten Frage: Reden oder handeln – was hilft Syrien wirklich?

Nach der jüngsten Parlamentswahl in Syrien äußern deutsche Außenpolitiker parteiübergreifend Zweifel an der demokratischen Integrität des Prozesses. Sie sprechen sich für eine schärfere Kopplung von Entwicklungshilfe an überprüfbare Fortschritte beim Schutz von Minderheiten aus und kritisieren die Beteiligung der syrischen Gesellschaft als unzulänglich. Die Bundesregierung sieht sich zudem dem Vorwurf gegenüber, ohne klares Konzept zu agieren, während Übergriffe gegen religiöse Gruppen weiterhin große Sorge bereiten. Ergänzend: Deutschlands Außenministerin Baerbock warnte wiederholt vor 'Scheinreformen' in Syrien; auch die UN kritisiert, dass der neue syrische Präsident weiterhin wichtige Positionen an Weggefährten vergibt und sich die humanitäre Lage kaum verbessert.

Aktuelle Recherchen zeigen, dass die EU ihre Sanktionen gegen Syrien verlängert hat, um Reformdruck aufrecht zu erhalten, zugleich aber humanitäre Hilfen weiterlaufen lässt. Russische und iranische Interessen blockieren nach wie vor den Neuaufbau, während die Zivilbevölkerung immer weniger Hoffnung auf echten Wandel hat. In der syrischen Gesellschaft wächst die Angst, dass westliche Staaten angesichts globaler Krisen das Land gänzlich aus dem Fokus verlieren.

Schwerpunkte anderer Leitmedien zu diesem Thema

1. In einem Hintergrundbericht beleuchtet die Süddeutsche Zeitung die weiterhin komplizierte Lage in Syrien nach den jüngsten Wahlen und hebt hervor, dass die internationale Gemeinschaft trotz aller Zweifel an der demokratischen Legitimität gezwungen ist, pragmatisch auf die geopolitischen Realitäten zu reagieren, wodurch nötige Reformen ins Stocken geraten. Quelle: Süddeutsche Zeitung

2. Laut der taz herrscht bei europäischen Staaten weiterhin Konflikt, ob man mit gezielter Entwicklungshilfe Druck auf das syrische Regime aufbauen kann, während Hilfsorganisationen mahnen, Sanktionen dürften nicht auf Kosten der notleidenden Bevölkerung gehen. Die Diskussion um Systeme zum Monitoring der Hilfsvergabe und um die Einbindung von Minderheiten bleibt angespannt. Quelle: taz

3. Ein aktueller Artikel auf dw.com analysiert die politische Zersplitterung und schildert, wie die syrische Opposition erneut marginalisiert wurde, während die internationale Gemeinschaft über wirksame Hebel nachdenkt. Trotz neuer Gesichter im Parlament bleiben zentrale Machtstrukturen unverändert, und viele Beobachter fürchten eine Rückkehr zur alten Politik der Ausgrenzung. Quelle: DW

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