Man darf ja über juristische Einschätzungen streiten – aber wenn jemand wie Rainer Schlegel, der das Bundessozialgericht geführt hat, zum Bürgergeld ein Gutachten abliefert, sollte man zumindest genauer hinhören. Wie jetzt durch die SZ bekannt wurde, hält er härtere Sanktionen – bis hin zur Totalstreichung der Leistungen bei besonders renitenten Alleinstehenden – durchaus für verfassungsrechtlich haltbar. Klar: Auftraggeber war die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, also wirtschaftsnah und sicherlich nicht ganz uneigennützig unterwegs. Kritik kommt sofort: Grüne, Jusos und Linke sehen Grundrechte in Gefahr, witterten verfassungswidrige Zumutungen.
Es ist kompliziert. Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 Sanktionen bei Hartz IV ziemlich eingeschränkt. Aber Schlegel meint, das sei kein endgültiges 'Nein', sondern eher: Es kommt drauf an. Strenge Härtefallregeln könnten laut ihm verhindern, dass wirklich unzumutbare Konsequenzen entstehen – etwa wenn Kinder oder Partner betroffen sind. Im Umkehrschluss: Für Alleinstehende dürfe man nach Schlegels Lesart strikter sein. Er nennt als Ausnahmefällen nur eindeutige Notlagen, wie akute Wohnungslosigkeit.
Interessant ist, dass Schlegel CDU-Kreisen nahesteht und für Carsten Linnemann, den CDU-Generalsekretär, beraten hat. Das verleiht seinen Positionen zusätzliches politisches Gewicht. In der Praxis werden Totalsanktionen zwar äußerst selten verhängt – zu aufwendig, die Nachweise zu erbringen. Aber Schlegel schlägt jetzt vor, die Beweisführung ordentlich zu lockern: Schon ein vages 'Nichtmitwirken' soll reichen, auch ohne harten Nachweis. Klingt alles ziemlich drastisch, und prompt plant Arbeitsministerin Baerbock... ach nein, Bärbel Bas (fast verwechselt!) jetzt noch ein Gesetz. Wer Termine im Jobcenter partout schwänzt, dem droht der Totalausschluss. Der Entwurf dafür soll bereits im November im Bundestag landen. Was dabei herauskommt? Wer weiß. Irgendwie typisch für diese Zeiten: Die Fronten sind verhärtet – juristisch und politisch.
Der frühere Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hält „Totalsanktionen“ im Rahmen der Bürgergeld-Reform trotz strenger Auflagen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2019 grundsätzlich für zulässig – zumindest bei Alleinstehenden, sofern Härtefälle berücksichtigt werden. Das umstrittene Gutachten entstand im Umfeld wirtschaftsnaher Kreise; politische Linke kritisieren die Pläne als verfassungswidrig und sehen soziale Grundrechte gefährdet. Arbeitsministerin Bärbel Bas verfolgt entsprechende Pläne konsequent weiter, was die öffentliche und politische Debatte deutlich befeuert hat.
Zusätzlich ergaben sich in den letzten 48 Stunden aus der Medienrecherche folgende relevante Details: Die Debatte um Bürgergeld verschärft sich angesichts inflationsbedingter Mehrbelastungen; sowohl Aktivist:innen als auch Sozialverbände fordern bessere Unterstützung statt härterer Kontrollen. Verschiedene Bundesländer kritisieren die Ausgestaltung der Reform als nicht praxistauglich und bemängeln zu hohe bürokratische Hürden. Mehrere Zeitungen berichten von zunehmender Unsicherheit bei Bedürftigen – es wächst die Sorge, dass Sanktionen vor allem Menschen in schwierigen Lebenslagen treffen könnten.