Evonik-Chef fordert radikale Änderung beim Emissionshandel: „Industrie kämpft mit stumpfen Waffen“

Christian Kullmann, Vorstandschef von Evonik, hält das aktuelle CO₂-Gebührenmodell Europas für wirtschaftlich und klimapolitisch schädlich – und plädiert für dessen Abschaffung oder wenigstens eine grundlegende Überarbeitung.

heute 00:20 Uhr | 32 mal gelesen

Einerseits klingt es fast einleuchtend: Warum sollte Europas Industrie finanziell bestraft werden, wenn sie doch in Sachen Technologie und Nachhaltigkeit oft ganz vorne mitmischt? Christian Kullmann, Chef des Essener Chemie-Riesen Evonik, jedenfalls bringt diese Frage in der 'Süddeutschen Zeitung' ziemlich unverblümt auf den Punkt. 'Wir haben die härtesten CO₂-Gebühren der Welt, aber die Erderwärmung hält sich nicht an Grenzen', meint Kullmann. Ihm ist das Thema offenbar richtiggehend ein Dorn im Auge: Weshalb sollen europäische Konzerne zusätzliche Kosten stemmen, während aus Übersee fleißig Waren importiert werden, bei deren Herstellung ordentlich viel CO₂ in die Luft gepustet wird? Rechnet man kurz nach, ergibt sich ein Bild von Wettbewerbsnachteilen – Europa legt sich selbst Ketten an, während andere Mächte ihre Industrien gezielt protegieren und obendrein günstigere Energie nutzen. Dass sich die weltpolitischen Koordinaten verschieben, entgeht Kullmann ebenfalls nicht: Die Zeit der globalen Schulterschlüsse scheint passé, sagt er, jetzt herrsche eher ein Jeder-für-sich-Prinzip. So klingt jedenfalls seine Analyse. Und der geplante Klimazoll (Ausgleichsmechanismus an den Außengrenzen), der in der Theorie die heimische Industrie schützen solle – darauf gibt Kullmann nicht viel. Zu kompliziert, zu schwer durchzusetzen, im Zweifel wirkungslos. 'Eine bürokratische Spielerei ohne echten Nutzen', urteilt er harsch. Als Sofortmaßnahme fordert der Manager eine Verlängerung der kostenlosen Emissionszertifikate für energieintensive Branchen – und langfristig eine Debatte darüber, was die europäische Industrie wirklich realistisch schultern kann. Mehr CO₂-Zertifikate oder niedrigere Preise? Beides, am besten, klingt durch.

Evonik-CEO Christian Kullmann geht hart mit dem aktuellen europäischen Emissionshandel ins Gericht: Er sieht das System als Standortnachteil für die hiesige Industrie und zweifelt am Nutzen der Klimazölle, die eigentlich faire Wettbewerbsbedingungen schaffen sollten. Seine Argumente sind typisch für einen wachsenden Chor der Industrie, die dringend Entlastungen angesichts hoher Energiepreise und teurer Umweltauflagen einfordert – gerade im Kontext globaler Spannungen und subventionierter Märkte (z.B. USA, China). Auch andere Quellen berichten, dass die Klimapolitik in Deutschland aktuell zu Debatten führt: Während manche Unternehmen flexiblere Lösungen und günstigeren Zugang zu grünem Strom fordern, warnen Umweltverbände vor einem klimapolitischen Rückschritt, falls Regeln zu sehr verwässert werden. Die Bundesregierung denkt parallel über begleitende Hilfspakete und Übergangsregelungen nach, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaziele besser auszubalancieren. Laut Medienberichten geraten CO₂-Grenzausgleich und Emissionshandel verstärkt zur politischen Streitfrage, insbesondere vor dem Hintergrund von Wachstumsflaute und Abwanderungsängsten der Industrie.

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