Da reibt sich mancher verwundert die Augen: Die Familienunternehmer, bisher für ihren klaren Kurs bekannt, melden nun, dass ein prinzipielles Kontaktverbot zur AfD nicht mehr gilt. Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, formuliert es scharf: Eine als klar rechtsextrem eingestufte Partei wie die AfD sei keineswegs ein üblicher Gesprächspartner. Bloßer Frust über andere Parteien könne und dürfe nicht der Grund sein, plötzlich Normalität zu simulieren. Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Familienunternehmer-Verbands, begründet die Öffnung damit, dass man politische Gegner 'stellen' müsse, auch durch direkte Konfrontation – zuletzt beim parlamentarischen Abend am 8. Oktober. Roloff kontert nüchtern: Durch Einladungen lasse sich das Gedankengut der AfD nicht plötzlich als harmlos entlarven; vielmehr müsse man deren wirtschaftsfeindliche Positionen ehrlich benennen und lautstark dagegenhalten.
Die AfD selbst zeigt sich indes zufrieden: Fraktionssprecher Leif-Erik Holm preist die Entscheidung und kritisiert die sprichwörtlichen Brandmauern. Sie seien unsinnig, angesichts der vielen ökonomischen Probleme im Land brauche es einen Schulterschluss aller 'freiheitlichen Kräfte'. Anders sieht das der CDU-Wirtschaftsrat – hier bleibt die Tür fest verschlossen. Die AfD stehe nun einmal gegen die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, so die Präsidentin Astrid Hamker. Es ginge nicht, deren Vertreter auf Verbandsveranstaltungen sprechen zu lassen; die AfD sei aus Sicht des Wirtschaftsrats schlicht ein Risiko für die Wirtschaft.
In den letzten Tagen hat der Verband der Familienunternehmer mit seiner Entscheidung, AfD-Abgeordneten die Teilnahme an Dialogveranstaltungen nicht mehr grundsätzlich zu verwehren, für ein kräftiges politisches Beben gesorgt. Vertreter etablierter Parteien wie der SPD und der CDU misstrauen dem Vorgehen und warnen vor einer ungewollten Normalisierung rechtsextremer Positionen. Recherchen und Kommentare aus jüngsten Nachrichtenquellen ergaben, dass diese Kontroverse auch in anderen Verbänden und Teilen der Wirtschaft für Unruhe sorgt. Die Debatte rührt dabei vor allem an die Frage, wie offen gesellschaftliche Institutionen gegenüber extremistischen Kräften agieren sollten und ob Gespräche mit Parteien am rechten Rand zur Lösung wirtschaftlicher Probleme beitragen können – oder ob sie das politische Klima weiter vergiften.
Laut taz sehen viele Wirtschaftsakteure Risiken einer AfD-Normalisierung für die internationale Reputation deutscher Unternehmen (Quelle: taz). Die Süddeutsche berichtet, dass der Verband intern nicht geschlossen hinter dem Kurswechsel steht: Einige prominente Familienunternehmer sollen ihren Austritt in Erwägung ziehen, sollte die Annäherung anhalten (Quelle: Süddeutsche Zeitung). Das Handelsblatt schließlich fasst Stimmen von Unternehmensberatern und Juristen zusammen, die auf mögliche rechtliche und gesellschaftliche Folgen solcher Kontakte aufmerksam machen (Quelle: Handelsblatt).