In den Augen von Ulf Kristersson, Schwedens derzeitigen Regierungschef, ist Russlands Verhalten seit dem Angriff auf die Ukraine keineswegs unverständlicher geworden – im Gegenteil. Er sagt ganz offen: "Viele haben Putins Drohgebärden und Pläne – besonders in Deutschland – auf die leichte Schulter genommen." Moskaus Strategie, da ist sich Kristersson sicher, beruht auf Aggression durch unterschiedliche Kanäle: Neben offensichtlichen militärischen Handlungen gibt es weiterhin die gezielten Versuche, Unsicherheit und Verwirrung in ganz Europa zu schüren, insbesondere durch Desinformation. Kristersson bringt es überraschend alltäglich auf den Punkt: Es ist, als baue der Kreml darauf, dass der Westen irgendwann einfach genervt abwinkt und meint, 'wir können eh nichts mehr machen', oder sich auf innenpolitische Baustellen zurückzieht. "Der Kreml setzt auf unsere Müdigkeit – und auf das Nichtstun im Umgang mit eingefrorenem russischem Vermögen," so der Ministerpräsident.
Seine Forderung? Ein klareres und entschlosseneres Handeln von Seiten der EU. Die eingefrorenen Vermögen sollten nach seiner Überzeugung für die Ukraine genutzt werden – auch als Signal Richtung Moskau: "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren." Und dann ist da noch die russische Propaganda, die gerade in sensiblen Gruppen Fuß zu fassen versucht, etwa bei Menschen russischer Muttersprache in der EU. Auch hier müsse man wachsamer sein. "Putin hofft, dass wir uns in Geduld falsch üben und Zerstrittenheit siegt. Das dürfen wir nicht zulassen!"
Einen Lichtblick sieht Kristersson dennoch: Die Solidarität Europas und seiner Partner – USA, Großbritannien, Norwegen, Kanada – bewähre sich. Fast alle EU-Mitglieder unterstützen die Ukraine, doch bleibt ein "EU-Minus", da Ungarn oft den Schulterschluss verweigert. Dennoch bleibt der Tenor: Geschlossenheit ist das Mittel der Wahl.
Kristersson betont die Notwendigkeit, Russlands strategische Taktiken stärker ins Blickfeld europäischer Politik zu rücken und sich von kurzfristigen Ermüdungserscheinungen nicht einlullen zu lassen. Nach seinen Worten sollte die Nutzung eingefrorener russischer Staatsvermögen zugunsten der Ukraine keine Tabufrage mehr sein; zudem warnt er ausdrücklich vor gezielter russischer Desinformation, die vor allem Minderheitengruppen in Europa ins Visier nimmt. Aktuelle Berichte bestätigen, dass die Debatte um die Verwendung russischer Vermögenswerte in Brüssel an Fahrt aufnimmt und bereits mehrere EU-Staaten entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen prüfen. Ebenso ist die Sorge um eine schleichende Erosion westlicher Solidarität durch interne politische Querelen Gegenstand reger Diskussion – erst jüngst wurde auf EU-Gipfeln die Gefahr betont, dass andauernde Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung neue Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Demokratien schaffen könnte. Nicht zuletzt nehmen russische Einflussaktionen über das Internet, wie jüngst durch Leak-Vorwürfe und Social-Media-Kampagnen sichtbar wurde, wieder zu und werden als ernsthafte demokratische Bedrohung bewertet. Schwedens Beitritt zur NATO gilt in diesem Kontext – trotz innenpolitischer Kontroversen – als Zeichen von Rückendeckung für die Ukraine und als Schutzmaßnahme gegen potenzielle Destabilisierungen von außen.