Hannah Arendt – Denken am Abgrund: Ein Film über Mut und Klarheit

Baden-Baden – Ein Dokumentarfilm würdigt das kompromisslose Denken Hannah Arendts, ab dem 1. Dezember 2025 in der ARD Mediathek und im Ersten. Originaltexte, gelesen von Nina Hoss, führen durch Arendts facettenreiches Leben zwischen Widerstand und Intellekt.

heute 19:27 Uhr | 19 mal gelesen

Manchmal, wenn Nachrichten im Dauermodus rattern und wir an politischen Unwägbarkeiten fast verzweifeln, lohnt der Blick zurück: Wer hat uns je Werkzeuge in die Hand gegeben für solche Zeiten? Hannah Arendt – Name wie Donnerhall, nicht bloß eine Denkerin, sondern Grenzgängerin zwischen der zerstörten alten Welt und dem zähen Neubeginn. Ihr Porträt, „Hannah Arendt – Denken ist gefährlich”, läuft ab dem 1. Dezember 2025 im Ersten und auf Abruf in der ARD Mediathek. Was bleibt von ihr, 50 Jahre nach ihrem Tod? Ein Lebenslauf, der wie ein Roman klingt: Aufgewachsen in Königsberg, beeinflusst und verletzt von Denkern wie Heidegger, geläutert von ihrem Lehrer Jaspers. Exil, Schnappatmung der Geschichte – Arendt flüchtet in die USA, wird zur amerikanischen Intellektuellen, schreibt hellsichtige Bücher, die zwischen Genie und Gift schwanken, vor allem ihr Begriff der „Banalität des Bösen“ verunsichert und elektrisiert zugleich. Der Film – Montage aus Archivaufnahmen, nur Arendts eigene Worte (Nina Hoss als Stimme) – erinnert daran, dass es bis heute gefährlich bleibt, selbst zu denken. Und dass solches Denken die einzige echte Revolte gegen Dummheit wie Tyrannei ist. Ihr Motto bleibt unbequem und versöhnlich zugleich: Wer das Denken aufgibt, liefert sich aus. Wer es riskiert, lebt in der Hoffnung, dass Gesellschaften sich neu erfinden können. Ein Film, der uns zurückwirft auf die Frage: Haben wir noch den Mut hinzusehen?

Im Mittelpunkt der Dokumentation steht nicht nur Hannah Arendts Biografie, sondern auch ihre Gegenwartsdiagnosen und das Vermächtnis ihres Denkens. In einer Zeit, in der politische Unübersichtlichkeit und gesellschaftliche Polarisierung wachsen, wirkt Arendts Analyse von Macht, Lüge und Verantwortung überraschend visionär – ihre Warnungen vor der 'Banalität des Bösen' und die Entpolitisierung der Gesellschaft treffen in vielfacher Weise auf aktuelle Dynamiken. Der neue Film bietet zudem selten gezeigte Archivaufnahmen und setzt auf authentische Originaltexte, die eindrücklich von Nina Hoss gesprochen werden. Aktuell debattiert die politische Öffentlichkeit erneut über die Bedeutung kritischen Denkens und zivilgesellschaftlichen Engagements – Stichworte, zu denen Arendts Werk auch, oder gerade erst recht, heute umfangreiche Orientierung bietet. Laut aktueller Recherche ist Hannah Arendts Einfluss auch 2024 unverändert stark: In Talkshows, Zeitungsartikeln und Podcasts wird regelmäßig auf sie Bezug genommen – ob beim Thema ‚Widerstand gegen Populismus‘, Diskurse um Wahrheit in Zeiten von Fake News oder das Ringen um Verantwortung in gesellschaftlichen Krisen. Zugleich beleuchtet der Film einen Aspekt, der im Trubel der Tagespolitik oft verloren geht: die Notwendigkeit einer offenen Debatte – ein Wert, den Arendt bis ins Mark verteidigte. Ihr Leitsatz „Denken ohne Geländer“ steht nicht nur für intellektuelle Unabhängigkeit, sondern auch für einen Mut, der manchmal beinahe altmodisch anmutet, aber vielleicht genau deshalb so zeitlos bleibt.

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