Es ist schon paradox: Da sitzen Kinder mit einer besonderen Gabe, und doch drehen sich viele Gespräche über ihr „Problemverhalten“. Aus eigener Erfahrung (und nach manchem Gespräch mit betroffenen Eltern) weiß ich: Schnell steckt das Kind in der Schublade des „Querulanten“ oder „Clowns“. Was häufig übersehen wird, ist die Not der Unterforderung und das Bedürfnis nach echtem geistigen Nervenkitzel.
Wenn Klugsein eher bremst als hilft
Nicht selten stehen Pädagog:innen und Eltern vor einem Rätsel: Ein Kind, das gedanklich scheinbar weit voraus ist, verweigert plötzlich Aufgaben oder wirkt gedanklich ganz woanders. Anderen dagegen merkt man ihre Begabung kaum an, gerade weil sie sich still anpassen. Es erscheint widersprüchlich, doch beides kann auf das gleiche Problem hindeuten – die Kluft zwischen den Fähigkeiten des Kindes und dem Angebot der Schule.
Die Frustration, die daraus resultiert, bricht unterschiedlich hervor: Witzelei, Tagträumerei oder, besonders gern, das ständige Hinterfragen von Regeln und Entscheidungen. Wer das als pure Provokation missversteht, verkennt die Not und das kreative Potenzial, das dahintersteckt. Viel zu selten sprechen wir über den Spagat zwischen Motivation und gefühlter Überforderung, der diese Kinder prägt.
Sensibel und detailverliebt – die Kehrseite des Talents
Hochbegabte nehmen oft viel feiner und intensiver wahr, was um sie herum passiert. So kann ein ungerechtes Verhalten eines Erwachsenen sie tagelang beschäftigen – oft stärker, als wir denken. Sie setzen sich selbst extrem hohe Maßstäbe, die sie im Alltag schnell ins Stolpern bringen können. In diesem Drahtseilakt zwischen Anspruch und Realität verlieren sich viele; Frustration, Rückzug oder auch Trotzreaktionen sind da eher Schutzmechanismen als Ungehorsam.
Zwischen Anpassung und Widerstand – ein Balanceakt
Jungen suchen ihre Auswege nicht selten im Klamauk (der Begriff „Klassenclown“ kommt nicht von ungefähr), Mädchen passen sich dagegen meist an – und bleiben schlicht unsichtbar. Den eigenen Ansprüchen zum Trotz. Aus so unterschiedlichen Verhaltensweisen wächst letzten Endes das gleiche Risiko: Die wirkliche Begabung bleibt unverstanden und damit ungenutzt.
Hinzu kommt: Kognitiv schnell zu sein, heißt nicht zwingend, emotional so weit zu sein. Diese Schere zwischen Intellekt und Gefühl sorgt immer wieder für Konflikte mit Lehrkräften und Gleichaltrigen, nicht selten für tiefe Verunsicherung bei den Kindern selbst. Und manches auffällige Verhalten ähnelt leichter einer Diagnose wie ADHS, als dass es „lediglich“ ein Ausdruck besonderer intellektueller Fähigkeiten ist. Genau hinzusehen bleibt Pflicht.
Mut zur individuellen Förderung
Anstatt vorschnell zu bewerten, hilft echtes Interesse: Was steckt hinter dem Verhalten, welche Aufgaben könnten das Feuer wieder entfachen? Flexible, kreative Lernangebote, Kooperationen mit außerschulischen Experten oder gezielte Projekte können der Startschuss sein. Wichtig bleibt: Im Vordergrund stehen sollte immer das einzelne Kind – nicht das System oder seine vermeintlichen Defizite.
Wenn wir es schaffen, das scheinbar Schwierige als Stärke zu begreifen, öffnet sich ein anderer Blick: Aus dem „Störenfried“ wird ein origineller Denker und kreativer Gestalter. Hochbegabung verlangt kein „Reparieren“, sondern vor allem Wertschätzung und Begleitung.
Wer steckt dahinter?
Diana Haese ist Expertin für Begabtenförderung mit Master-Abschluss, Gründerin von drei spezialisierten Zentren in Deutschland und hat in über 70.000 Fällen Familien begleitet. Ihr Ziel: Kinder rechtzeitig erkennen, ihre Entwicklung fördern und ihnen helfen, aus ihren Potenzialen Lebensfreude zu gewinnen. Mehr Infos: begabtenzentrum.de
Kontakt:
Begabtenzentrum, vertreten durch Diana Haese, E-Mail: info[at]begabtenzentrum.de
Ruben Schäfer, redaktion@dcfverlag.de
Quelle: Begabtenzentrum, veröffentlicht über news aktuell (ursprünglicher Beitrag)
Hochbegabte Kinder stechen häufig nicht durch schulische Bestnoten hervor, sondern werden vielmehr durch auffälliges Verhalten oder Rückzug auffällig – oftmals als Folge von Unterforderung oder mangelnder Förderung. Zentral ist, zwischen echter Störung und Ausdruck besonderer Begabung zu differenzieren, um einer Fehldiagnose wie ADHS vorzubeugen; dabei spielen Aspekte wie Sensibilität, Perfektionismus und Entwicklungsdifferenzen eine Rolle. Studien und Medienberichte der vergangenen Tage betonen zunehmend, dass Schulen flexiblere Förderkonzepte entwickeln und Lehrkräfte spezifisch weiterbilden sollten, um die Potenziale dieser Kinder nicht zu verlieren – etwa durch Projekte zur Talentförderung, Workshops für Pädagog:innen und gezieltes Einbinden von Eltern. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Länder mit frühzeitigen, individuell zugeschnittenen Begabtenprogrammen weniger Probleme mit schulischem Scheitern bei Hochbegabten haben. Auch in Deutschland gibt es wachsende Diskussionen über Schulreformen, die neben Leistung auch Kreativität, soziales Lernen und Selbstwirksamkeit stärker betonen sollen, um insbesondere außergewöhnlich begabte Kinder nicht aus dem Blick zu verlieren.