Neuanfang durch Insolvenz: Vom Scheitern zum Fortschritt

Berlin – Auf dem Deutschen Insolvenzverwalterkongress in Berlin diskutierten Experten, warum Pleiten elementarer Bestandteil für wirtschaftlichen Wandel und Innovation sind.

heute 14:15 Uhr | 14 mal gelesen

Es fühlt sich irgendwie paradox an: Niemand wünscht sich persönliche Insolvenz, und das Nachrichtenbild dominiert oft das Drama um gescheiterte Firmen. Aber mal ehrlich – etwas muss offenbar zugrunde gehen, damit Neues wachsen kann. Gestern auf dem Deutschen Insolvenzverwalterkongress bekräftigte Prof. Marcel Fratzscher, das Gesicht des DIW, genau das. Insolvenz ist, wenn man so will, der Frühjahrsputz der Marktwirtschaft: Schmerzhaft, unbequem, aber unverzichtbar für frischen Wind und frei werdende Ressourcen. Wer immer nur erhält, was marode ist, steht am Ende mit leeren Händen da – oder eben mit einer Wirtschaft, die keine Sprünge mehr macht. Schon der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Schumpeter – um mal ein bisschen Klugscheißerei einzuflechten – sprach vom "kreativen Zerstören". Also, weg mit der Angst vor der Pleite! Klar, für Betroffene ist das keine Formel für gute Laune. Aber im Größeren betrachtet, zeigt sich: Arbeitskräfte, Kapital, Know-how – alles wird durch den Insolvenzwirbel neu verteilt. Und immer wieder behauptet sich danach etwas, das sonst keine Chance gehabt hätte. Versäumnisse gibt es in deutschen Amtsstuben genug. Reformen, aufgeschoben bis das Bürokratiebergmassiv krachend auf die Wirtschaft drückt. Die wesentlichen Probleme hängen wie Staub in der Luft: Bürokratie, Energiekrise, marode Straßen. Je früher der Wandel angegangen wird, desto weniger heftig kracht es – eigentlich logisch, oder? Mit Verdrängungstaktik hat noch kein Land zukunftsfest angeheuert. Ein anderer Aspekt, der gestern in der Keynote auffiel: Das große deutsche Bedürfnis nach Sicherheit. Bloß kein Risiko, lieber weiter wie bisher. Das traurige Ergebnis: Kaum jemand gründet noch, und Unternehmensnachfolger*innen werden zur Rarität. "Scheitern darf nicht länger stigmatisiert werden", meinen die Fachleute unisono. Fehler, so unangenehm sie im Moment auch sind, sind das Salz der Wirtschaftsuppe. Die Transformation der Wirtschaft rollt an, ob wir wollen oder nicht. Insolvenz ist dabei kein Damoklesschwert, sondern ein Scharnier – ein Mechanismus, der Chancen für Erneuerung bietet. Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist es nun, diesen Prozess mutig zu begleiten und die passenden Rahmen zu zimmern. Nur so wird aus jeder Krise vielleicht sogar ein Fortschritt.

Die Diskussion um Insolvenz hat längst ihre einseitig negative Prägung verloren. Fachleute und Wirtschaftsexperten mahnen: Nur dort, wo Altes Platz macht, kann Neues entstehen. Gerade angesichts Klimawandel und Digitalisierung werden Pleiten als notwendiger Motor gesehen – Ressourcen und Talente werden frei, Unternehmen agiler. In mehreren aktuellen Berichten wird betont, wie Deutschland an der Zögerlichkeit hinsichtlich radikaler Erneuerung leiden könnte; selbst der Insolvenztrend sei ein Symptom nicht gelöster wirtschaftlicher Probleme (siehe z.B. die neuesten Artikel auf faz.net und sueddeutsche.de). Besonders spannend ist die internationale Perspektive: Länder wie die USA oder Großbritannien tun sich laut t3n.de deutlich leichter mit dem Umgang von Scheitern und Förderung von Startups nach einer Insolvenz. Gleichzeitig steigen 2024 die Firmeninsolvenzen in Deutschland spürbar, was erneut die Dringlichkeit von Reformen unterstreicht. Wer diesen Wandel nicht gestaltet, droht abgehängt zu werden – das war die Kernaussage auf dem Kongress.

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