Sigmar Gabriel fürchtet neues 'Versailles' durch US-Ukrainpläne

Ex-Außenminister Sigmar Gabriel mahnt die Europäer: Sie müssten alles daran setzen, den umstrittenen 28-Punkte-Plan der USA zur Ukraine zu verändern – andernfalls drohe Europa ein Debakel wie einst beim Vertrag von Versailles.

23.11.25 11:15 Uhr | 68 mal gelesen

Manchmal klingt Historie wie eine Warnung in Endlosschleife. Da ist zum Beispiel Sigmar Gabriel, der ehemalige Außenminister, der ziemlich unverblümt davor warnt, dass Europa Gefahr läuft, in die Fußstapfen seiner größten historischen Fehleinschätzung zu treten. Er fordert energisch, dass die EU-Staaten versuchen, an dem von den USA vorgelegten, sehr rigide wirkenden 28-Punkte-Plan für die Ukraine zu rütteln. Selbst wenn die Chancen auf Erfolg arg bescheiden ausfallen mögen – um es mit Gabriels Worten zu sagen: Nichtstun sei keine Option. Ansonsten, so fürchtet er, steuere Europa auf ein 'zweites Versailles' zu, mit verheerenden Auswirkungen für das europäische Gefüge, innen wie außen. Dass sich die USA mit ihrem Forderungskatalog offenbar eher an russischen Interessen als an europäischen oder gar ukrainischen orientieren, hält Gabriel für einen Verrat am bisherigen transatlantischen Miteinander. Der Zusammenhalt, einst heilig, wackelt. Würde dieser Plan Wirklichkeit, müsse sich Europa darauf einstellen, künftig allein gegen Bedrohungen – sei es aus Moskau oder anderswo – gewappnet zu sein. 'Wer immer noch auf Schützenhilfe der USA bei russischen Angriffen hofft, täuscht sich', betont Gabriel verbittert. Für ihn steht fest: Europa darf nicht am Tropf alter Allianzen hängen bleiben. Militärisch aufrüsten, wirtschaftlich fit werden – die Zukunft ist rauer als die Vergangenheit, scheint es. Und ob die alte transatlantische Verlässlichkeit je zurückkehrt? Niemand weiß es – zumindest Gabriel zweifelt deutlich. Auch der Transatlantikkoordinator Metin Hakverdi sieht die Dringlichkeit, als Europäer und im Sinne der Ukraine zu handeln, um nicht zum Spielball auf dem geopolitischen Schachbrett zu verkommen.

Gabriels Vergleich mit Versailles ist keineswegs zufällig: Historisch erinnert der Vertrag von 1919 an eine Einigung, die Europa langfristig instabil machte und letztlich den Keim für neue Konflikte legte. Aktuell sorgt insbesondere die Unsicherheit über die US-amerikanische Ukraine-Politik für Nervosität; eine zunehmende Russland-Orientierung von Teilen der USA wird in den führenden europäischen Zeitungen weitestgehend kritisch gesehen. In den letzten 48 Stunden berichten mehrere Medien, dass die Debatte über Europas Eigenständigkeit an Fahrt gewinnt: So schreibt die FAZ, dass in Brüssel derzeit verstärkt über den Aufbau autarker Verteidigungsstrukturen gesprochen wird, zumal das Vertrauen in die USA schwindet. Die Süddeutsche Zeitung beleuchtet, wie zwischen Paris und Berlin das Misstrauen wächst, und erwähnt, dass gerade Deutschlands Zurückhaltung in Sachen Militärinvestitionen für Frust sorgt. Die Zeit berichtet, dass osteuropäische Staaten einen neuen Sicherheitsrat innerhalb der EU fordern, während sie das Gefühl haben, in der NATO nicht mehr ausreichend ernst genommen zu werden.

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