Therapeutinnen am Limit – Wie Ausbrennen im Gesundheitswesen droht und was helfen könnte

Von außen scheint ihr Job so sinnstiftend – doch immer mehr Therapeutinnen in Deutschland stolpern an die Grenze der Belastbarkeit. Anträge, endlose Papierberge und ein nie enden wollender Termindruck lassen wenig Luft zum Atmen. Die Wartelisten wachsen, die Zeit für sich selbst schrumpft – ein Alltag am Rande des Dauerstresses, der Spuren hinterlässt.

17.12.25 12:30 Uhr | 6 mal gelesen

Es ist manchmal ein eigenartiger Widerspruch: Wer anderen hilft, stürzt sich häufig selbst ins Hintertreffen. Gerade Therapeutinnen, eigentlich Fachleute für Gesundheit und mentale Stabilität, tappen immer häufiger in die Überforderungsfalle. Denn sie tragen im Beruf eben nicht nur fremde Sorgen, sondern erleben einen permanenten Spagat zwischen Hilfsbereitschaft und eigenen Grenzen – ein Drahtseilakt, von dem kaum jemand offen erzählt.

Stressfaktoren im Berufsalltag

Was viele nach außen nicht sehen: Neben der intensiven Arbeit am Menschen türmt sich auf den Schreibtischen der Therapeutinnen ein Haufen Bürokratie. Die Kassen verlangen minutiöse Dokumentation, Zeit für Pausen wird zum Ausnahmefall. Für anspruchsvolle (Fach-)Entwicklung bleibt da kaum Raum. Eigentlich paradox: Je mehr Professionalität gefragt wäre, desto weniger Zeit bleibt fürs Lernen oder Nachdenken – dazwischen zerrieben werden? Leider ja.

Gefangen zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Hinzu kommt – und das ist kein kleines Randproblem –, dass viele Therapeutinnen aus tiefer Überzeugung helfen wollen. Doch oft ist es schlicht nicht möglich, alle Ideen oder Ansprüche umzusetzen: Sei es aus Zeitmangel, wegen enger Vorgaben oder weil schlicht die Kraft ausgeht. Langfristig nagt das am Berufsethos und erschafft eine innere Unwucht – ausgerechnet jene, die Sinn geben wollen, verzweifeln an systemischen Grenzen.

Emotionale und körperliche Bandauslastung

Noch dazu schlaucht die Arbeit körperlich: Stundenlang sitzende, manchmal fast meditative Haltungen, dazu ständiges Zuhören, Nachfragen und Erklären. Patienten, die inmitten der Physiotherapie mit seelischen Altlasten um die Ecke kommen, lassen auch in der Behandlerin etwas zurück. Wer dann noch wenig Eigenzeit hat, merkt, wie sich Erschöpfung nicht nur im Kopf, sondern im ganzen Körper festsetzt.

Fachkräftemangel und Selbstaufopferung

Zugespitzt wird das alles durch den anhaltenden Fachkräftemangel. Wo zu wenige sind, übernimmt eben jeder mehr – und Pausen werden als Luxus empfunden, auf den man ‚aus Verantwortungsgefühl‘ verzichtet. Dass das krank macht, merkt man oft erst, wenn es zu spät ist.

Selbstfürsorge ohne schlechtes Gewissen?

Es klingt fast ironisch: Die Strategien, die viele Klienten vor dem Burnout bewahren sollen, werden im eigenen Alltag zu selten angewandt. Bewusste Grenzsetzung, Abwechslung und Teamkommunikation könnten helfen. Doch der Druck, immer alles geben zu müssen, macht das schwer – und manchmal muss man sich selbst davon überzeugen, dass Selbstschutz kein Egoismus ist, sondern professionelle Notwendigkeit.

Kleine Rettungsinseln bauen

Was kann nun helfen? Erzählen, was einen belastet. Tägliche kleine Freiräume, auch wenn sie noch so kurz sind. Und vielleicht die Erkenntnis, dass nicht jede Innovation fruchten muss, aber jeder Tag eine neue Chance ist, sich wenigstens selbst nicht ganz zu verlieren. Wer Ideen pflegt – sei es durch Notizen oder Austausch –, kann oft besser mit den Zumutungen des Alltags umgehen. Und: Es lohnt sich, auch nach neuen Nischen abseits der Praxis zu schauen – Lehrtätigkeit, Supervision oder einfach ein Netzwerk, das sich gegenseitig den Rücken stärkt.

Über Tamara Scherer:

Tamara Scherer ist diplomierte Psychologin und hat das Mentoring-Projekt TherapeutenWEGE ins Leben gerufen. Sie steht dafür, dass Therapeutinnen neue Wege für sich entdecken – sei es durch fachliche Weiterentwicklung, mutige Sichtbarkeit oder lebensnahe Beratung. Entscheidend ist dabei, dass niemand im System verloren gehen muss, auch wenn es manchmal schwierig aussieht. Mehr Infos: https://tamarascherer-mentoring.com/

Pressekontakt:
TherapeutenWEGE - HE-Academy & Concept GmbH
Leitung: Tamara Scherer
kontakt@tamarascherer.com

Immer mehr psychotherapeutisch oder physiotherapeutisch arbeitende Frauen in Deutschland sind von Überlastung bedroht: Die stetig steigende Nachfrage nach Therapieplätzen, ein gravierender Fachkräftemangel und zunehmender bürokratischer Druck sorgen für ein Klima anhaltender Anspannung. Dabei geraten Therapie-Profis oft in einen Loyalitätskonflikt zwischen Selbstfürsorge und Patient*innenwohl, was langfristig zu emotionaler Erschöpfung und Sinnkrisen führen kann – unabhängig von fachlicher Kompetenz oder Berufserfahrung. Neben praktischen Tipps wie konsequenter Abgrenzung, kollegialem Austausch und kleinen Pauseninseln stellt die Forschung heraus: Auch politische und strukturelle Veränderungen (wie flexiblere Arbeitsmodelle, Entlastung bei Dokumentationspflichten oder gezielte Nachwuchsförderung) sind dringend nötig, um systemische Überlastung zu verhindern. In aktuellen Artikeln der deutschen Medien wurde der gravierende Notstand in der psychotherapeutischen Versorgung mehrfach aufgegriffen, wobei Experten auf neue Versorgungskonzepte, den Einsatz digitaler Tools und verstärkten Dialog zwischen Politik und Praxen setzen.

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