Ariane Mnouchkine – von ihr würde man sich fast wünschen, man träfe sie nicht als Interviewpartnerin, sondern als Philosophin am Küchentisch, mit zu viel Tee und zu wenig Zeit. Die Grande Dame des Théâtre du Soleil in Paris öffnet zum ersten Mal seit Jahrzehnten ihre Tür für die ARD. Sie spricht – sichtlich bewegt und mit rauchigen Erinnerungen in der Stimme – davon, wie die Menschheit in den immer gleichen Mustern von Gewalt und Rache taumelt. Mnouchkine formuliert Sätze, die hängen bleiben: Die größte Sünde sei Verachtung. Empathie, sagt sie, ist wie ein Muskel, der erschlafft.
Themenwechsel, fast wie der Sprung in kaltes Wasser: In Russland und Belarus zeigt sich Macht von ihrer grausamsten Seite. Der Philosoph Vladimir Mazkewitsch, gerade nach Jahren der Haft ins Exil gedrängt, oder Maria Alechina von Pussy Riot – abwesend, aber schuldig gesprochen, weil sie Musik und Protest vermischte. Folter, Straflager, ein Leben im Dazwischen: ttt fragt, wie viel künstlerische Freiheit in Diktaturen überlebt, und wer überhaupt noch Zeuge sein darf.
Dann ein Ausflug in die moderne Kunst: Ein Überblick über das monumentale Werk von Gerhard Richter, gesammelt in einer Ausstellung, die sich durch sechs Dekaden zieht. Von verschwommenen Fotos der frühen Jahre, über die Revolution der Malerei per Abstraktion, bis hin zu den neuesten kaleidoskopischen Farbfeldern. Wer Richter sehen will, bekommt viel – und eine Ahnung davon, wie Kunst und Weltgeschichte sich gegenseitig das Licht klauen.
Der schräge Abschluss: Dafen, das „Atelier der Fälscher“ in China. Stanislaw Mucha hat einen Dokumentarfilm gedreht, der – zwischen Ironie und Resignation pendelnd – zeigt, wie handgemachte Kunstkopien für den Preis eines Abendessens über den Globus gehen. Das alles in knapp 45 Minuten Fernsehen. Verrückt, wie dicht Kultur sich manchmal anfühlen kann.
Moderation: Siham El-Maimouni. Redaktion: Franz Xaver Karl (BR).
Die bevorstehende Sendung von 'ttt – titel thesen temperamente' setzt sich mit vielfältigen aktuellen Themen auseinander: Ariane Mnouchkine gibt bewegende Einblicke in ihr Lebenswerk und ihre zeitkritische Perspektive auf die Gesellschaft. Der Umgang autoritärer Regime mit Künstlern und Journalisten wird ebenso beleuchtet wie das beeindruckende Lebenswerk von Gerhard Richter, dessen Schaffen weiterhin weltweit Beachtung findet. Die teils ironische, teils bittere Auseinandersetzung mit Fälschungen in der Kunst – etwa durch die Industrie in Dafen – wirft zudem Fragen nach Originalität und Wert auf. Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit (u.a. die massive Verschärfung der Zensurgesetze in Russland im Juni 2024) und jüngster Entwicklungen des Kunstmarkts – wie etwa neue Auktionsrekorde für Richter und das internationale Echo auf die Fondation Louis Vuitton-Schau – erhält die Sendung zusätzliche Relevanz.