WZB-Chefin fordert Änderungen beim Ehegattensplitting und mehr Mut für Reformen

Nicola Fuchs-Schündeln, Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin, hält die Einführung des Ganztagsanspruchs für Grundschulkinder im kommenden Jahr für eine Herausforderung, sieht darin aber eine große Chance für Wirtschaft und Gesellschaft.

14.09.25 10:40 Uhr | 97 mal gelesen

Nicola Fuchs-Schündeln, Präsidentin des WZB, äußerte sich gegenüber dem 'Handelsblatt' skeptisch, dass der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem Start reibungslos funktionieren wird. Dennoch betonte sie die enorme Relevanz dieses Schrittes für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Fuchs-Schündeln erwartet, dass durch ausgeweitete Betreuungsangebote insbesondere die Erwerbstätigkeit und Arbeitszeit von Müttern zunehmen. Gleichzeitig mahnte sie grundlegende Reformen bei bestehenden arbeitsmarktpolitischen Strukturen wie dem Ehegattensplitting und den Minijobs an – hier fehle es der Regierung an ausreichender Entschlossenheit. Auch eine Anpassung des Ehegattensplittings für bereits bestehende Ehen sei durchaus umsetzbar, wie das Beispiel Großbritannien zeige, wo der Ehebonus über einen längeren Zeitraum abgebaut wurde und sich Familien auf die Veränderungen einstellen konnten. Fuchs-Schündeln kritisierte insbesondere, dass die deutschen Konservativen Veränderungen am Ehegattensplitting weiterhin blockieren.

Die WZB-Präsidentin sieht im Start der Ganztagsbetreuung eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Wirtschaft und empfiehlt der Politik, zusätzliche Anreize für die Erwerbsbeteiligung von Müttern durch die Reform von Ehegattensplitting und Minijob-Regelungen zu setzen. Derzeit profitieren vor allem Ehepaare, in denen ein Partner gar nicht oder nur in Teilzeit arbeitet, vom Ehegattensplitting, was nach Meinung vieler Ökonomen und Expertinnen veraltete Rollenbilder stützt und Ungleichheit verstärkt. Diverse Initiativen und Parteien fordern seit Jahren dessen Abschaffung oder Reform, um die eigenständige Erwerbstätigkeit von Ehepartnern zu fördern und die Steuergerechtigkeit zu erhöhen – aktuelle Studien und politische Debatten greifen diese Forderungen auch im Hinblick auf die Fachkräftesicherung und die moderne Familienpolitik immer wieder auf. In jüngster Zeit werden internationale Beispiele und wissenschaftliche Empfehlungen in der öffentlichen Debatte vermehrt diskutiert, beispielsweise in einer aktuellen Analyse des DIW Berlin, die bestätigt, dass vom Ehegattensplitting primär gutverdienende Ehen profitieren und dass diese Regelung einen wesentlichen Beitrag zur Lücke bei der Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland leistet. Auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung sieht eine schrittweise Weiterentwicklung des Ehegattensplittings vor, wenngleich konkrete Umsetzungsschritte bislang ausstehen.

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