Streit um Unterricht: Bildungsminister stellen Dobrindt bloß

Schulunterricht als Allheilmittel für Katastrophenvorsorge? Die Länder-Bildungsminister zeigen Innenminister Dobrindt die Grenzen seines Vorschlags auf – und entlarven seine Forderung als wenig durchdacht.

heute 06:51 Uhr | 29 mal gelesen

Es ist so eine Sache mit Schnellschüssen aus Berlin – besonders, wenn es ans Klassenzimmer geht. Simone Oldenburg, Oberhaupt der Bildungsministerkonferenz und Bildungsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, ließ im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" kaum Platz für Missverständnisse: Wer jetzt mal eben wochenends im Elfenbeinturm beschließt, die Schule solle Krisenvorsorge aus dem Ärmel schütteln, sitzt irgendwie auf dem Holzweg. "Immerzu ruft jemand nach der Schule – es reicht jetzt", stellt Oldenburg klar. Lehrkräfte, so ihr Tenor, seien schließlich nicht die Feuerwehr des Bundes. Fachwissen und Verantwortung schultern sie sowieso schon mehr als genug. Dass Dobrindt (CSU) ausgerechnet eine Doppelstunde anregt, kommt bei Oldenburg so gut an wie ein Regenwurm im Pausenbrot. "Das ist einfach kurz gedacht – solche Forderungen liegen daneben und zeigen wenig Verständnis für Schularbeit." Was sie wirklich stört: Kinder und Jugendliche stehen einmal mehr im Rampenlicht und sollen’s richten. "Es wäre sinnvoller, erst mal mit Erwachsenen über solche Themen aufzuklären", mahnt sie und dreht die Logik um – wie oft im politischen Alltag. Mal abgesehen davon ist Krieg keineswegs ein blinder Fleck im Lehrplan. Themen wie Krisen, Frieden und Folgen von Konflikten sind Standard im Social-Science-Unterricht. Oldenburgs pragmatischer Vorschlag: Wenn schon Krisenvorsorge, dann bitte mit durchdachtem Material vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, damit Lehrkräfte nicht wild improvisieren oder zwischen Mathe und Vokabeln noch selber Handouts basteln müssen. Dobrindt hatte im "Handelsblatt" den Ball ins Rollen gebracht und will das Ganze bei der nächsten Innenministerrunde aufs Tablett bringen. Sein Ziel: Mindestens eine Doppelstunde für die Älteren, um über Gefahren, Schutz und Co. zu reden. Experten und Fachleute reiben sich indes die Stirn – und viele an den Schulen haben längst genug Themen im ganz normalen Wahnsinn der Woche.

Der Vorstoß von Alexander Dobrindt, das Thema Zivilschutz im Unterricht zu verankern, stößt bei der Bildungsministerkonferenz auf deutliche Kritik. Vor allem Simone Oldenburg verweist auf die schon bestehende Auseinandersetzung mit Kriegen im Unterricht und die ohnehin hohe Belastung des Personals. Nach Recherchen taucht das Thema Zivilschutz in der Politik derzeit verstärkt auf, wie die taz berichtet: Bundesweite Katastrophenschutz-Übungen und der Mangel an Schutzbunkern zeigen, dass das Thema über Schule hinaus breite gesellschaftliche Diskussionen anschiebt. In der ZEIT wird etwa betont, dass Bildungspolitiker eine zentrale Strategie und abgestimmte Maßnahmen fordern, bevor Inhalte pädagogisch sinnvoll vermittelt werden können. In der Süddeutschen Zeitung macht ein Kommentar klar, dass aktuelle Anforderungen – Integration, Digitalisierung, Lehrkräftemangel – das System bereits am Limit laufen lassen und Zusatzbelastungen besser koordiniert angegangen werden sollten.

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