Alle Jahre wieder: Warum uns Weihnachten den letzten Nerv raubt – und was dagegen tatsächlich hilft

Alle tun so, als wäre Weihnachten das Highlight des Jahres – aber ehrlich gesagt, endet der Festtrubel für viele in Stress, Reizbarkeit und manchmal sogar blanker Überforderung. Familienmisstöne, die sich schon seit der eigenen Kindheit ins Herz eingebrannt haben, entfalten gerade an den Festtagen ihre Wirkung. Die Psychotherapeutin Stefanie Schnier verrät aus der Praxis, warum das so ist – und was hilft, um nicht im Feiertagschaos unterzugehen.

heute 08:12 Uhr | 18 mal gelesen

Alte Mechanismen, neue Eskalationsgefahr

Es klingt erstmal idyllisch: Festliche Zusammenkünfte, mehrere Generationen an einem Tisch. Wer ehrlich ist, weiß aber, dass die alten Rollenverteilungen dabei fast schmerzhaft zuverlässig wieder zum Vorschein kommen. Die Mutter nörgelt an der Serviette herum, der Bruder lässt einen provokanten Spruch fallen – und schon läuft ein gewohntes emotionales Skript ab, das oft unterschwellig aufgeladen ist. Schnier sagt dazu: „Eigentlich sind wir längst erwachsen, aber unser Nervensystem kennt an Weihnachten kaum Gnade – es reagiert wie vor zwanzig Jahren.“ Manche gehen innerlich sofort auf Abwehr, andere flüchten sich in Perfektionismus. Beides zerrt gewaltig an den Nerven und führt dazu, dass ausgerechnet das 'Fest der Liebe' ein Testfall für Stressbewältigung wird.

Was den Druck erhöht: Man soll nicht nur fröhlich aussehen, sondern auch noch perfekte Geschenke und prächtige Stimmung zaubern. Der soziale Druck, Weihnachten zu einer makellosen Show werden zu lassen, ist gewaltig. Kein Wunder, dass sich viele kurz nach der Bescherung bestenfalls nach einer Pause sehnen – oder direkt nach dem nächsten Urlaub googeln.

Besser vorbereitet feiern: Kleine Schritte, große Wirkung

Was aber tun? Stefanie Schnier, selbst durch viele Feiertage gestählt, empfiehlt eine Mischung aus ehrlicher Vorbereitung und gelebter Selbstfürsorge. Ein Telefonat schon Wochen vorher, in dem man ohne Umschweife Erwartungen und Bedürfnisse absteckt, nimmt viel Brisanz aus den Vorbereitungen. Wer die eigene Lust auf Pausen und Rückzug nicht unterdrückt, sondern aktiv einplant, profitiert enorm – auch ein kurzer Spaziergang reicht oft, um das Gemüt zu glätten.

Und die Perfektion – Schwamm drüber! Schnier sagt: „Wir sollten uns eingestehen, dass nichts makellos läuft. Wenn wir uns das erlauben, entspannt sich schon die Hälfte des inneren Drucks.“ Auch kleine, fast banale Selbstregulationstechniken wie kontrolliertes Ausatmen oder das Wahrnehmen des eigenen Bodenkontakts helfen, den Körper auf Ruhe umzustellen.

Erfahrungswert: Therapie & eigene Learnings

Stefanie Schnier spricht nicht nur als Profi. In ihrem Buch "Wenn nichts mehr geht" schildert sie auch ihre eigenen Zeiten voller Erschöpfung – und wie sie wieder Kraft geschöpft hat. Sie zeigt: Wer fehlende Perfektion akzeptiert, seine Gefühle ernst nimmt und manchmal auch professionelle Unterstützung sucht, kann aus der Stressfalle entkommen.

Ein neues Kapitel öffnet sie ab Frühling 2026 auf Sylt: Dort plant sie, Workshops zu Intuition und Selbstfürsorge zu geben, kombiniert mit Bogenschießen. Das klingt erst mal ungewöhnlich, ergibt aber Sinn – denn das Spannen eines Bogens ist ein ziemlich direkter Spiegel für die eigene innere Anspannung.

Fazit: Weihnachten darf – wie das ganze Leben – ein bisschen chaotisch sein. Wer das akzeptiert, gewinnt mehr Gelassenheit, lacht vielleicht auch mal mitten im Zoff und vergisst dabei nicht, dass schon kleine Strategien aus scheinbar festgefahrenen Mustern führen können.

Über die Autorin: Stefanie Schnier ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coachin und Körpertherapeutin aus Berlin. Ihre Schwerpunkte: Stress und Überforderung, aber auch achtsame Persönlichkeitsentwicklung. Ab 2026 erweitert sie ihr Angebot mit Seminarreihen an der Nordsee.

Weihnachten ist für viele paradoxerweise die stressigste Zeit des Jahres, vor allem durch familiäre Dynamiken und äußeren Perfektionsdruck. Stefanie Schnier erläutert, dass unser Nervensystem bei bekannten Auslösern besonders reaktiv ist – wir schalten auf Autopilot, selbst wenn wir das gar nicht wollen. Sie empfiehlt realistische Erwartungen, abgesprochene Pausen, ehrliche Kommunikation und pragmatische Selbstfürsorge, um den Feiertagswahnsinn abzumildern – und ist dabei selbst das beste Beispiel, wie es trotz Rückschlägen gelingen kann. Neuere Untersuchungen und Medienberichte betonen, dass die Nachfrage nach psychologischer Unterstützung rund um Weihnachten ansteigt und die Rate von Stresssymptomen deutlich höher liegt. Viele Expert:innen weisen außerdem darauf hin, dass soziale Medien und gesellschaftlicher Vergleich die Erwartungshaltung weiter verschärfen. Nach aktuellen Diskussionen in der deutschsprachigen Presse wird empfohlen, sich bewusste Auszeiten zu nehmen, Routinen loszulassen und gemeinsam nach flexiblen Lösungen zu suchen – manchmal hilft schon das offene Aussprechen eigener Überforderung oder eine kleine kreative Tradition statt dem großen Festprogramm.

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