Vertrauen statt leere Reformrhetorik
Die Debatte um die Pflegeversicherung wird laut ASB zum Sinnbild für eine Politik, die um Stabilität ringt, aber bei Lösungen ausweicht – immer mit dem Blick auf günstige Zahlen, selten auf die Menschen. „Nachhaltigkeit darf nicht als Synonym für Sparzwänge stehen“, so Fichtmüller. Statt kosmetischen Eingriffen müsse sich die Politik ehrlich zur Finanzierung bekennen – und zwar über Steuern, nicht durch Einschnitte bei den Leistungen oder neue intransparente Modelle. Dass Bundesländer ihre Zuständigkeiten vernachlässigen und versicherungsfremde Leistungen weiterhin aus Beiträgen gezahlt werden, hält er für fatal. Die Sprache im Politikbetrieb droht zur Ausrede zu werden, wenn von ‚Effizienz‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ gesprochen wird, ohne dass jemand die Kassen tatsächlich füllt.
Was in der Öffentlichkeit diskutiert wird, reduziert sich – so der ASB – oft auf technische Reformideen und mathematische Kalkulationen. Das Fundament des Sozialstaats, die umfassende Absicherung aller Pflegebedürftigen, gerät dabei aus dem Blick. Der Verband stellt deshalb Forderungen:
1. Klarheit über die Eigenbeteiligung
Eigenanteile müssen für Pflegebedürftige planbar und begrenzt sein. Die aktuellen Vorschläge zur privaten Zusatzvorsorge lehnt der ASB ab; sie verschieben das Risiko, anstatt es solidarisch zu schultern. Begriffe wie ‚Sockel-Spitze-Tausch‘ hätten für die Bundesregierung fast nur noch Reizwort-Charakter, werden aber nicht wirklich mit Leben gefüllt.
2. Pflege bleibt Aufgabe aller
Angesichts von Ideen zur ‚eigenverantwortlichen Vorsorge‘ warnt der ASB vor einer heimlichen Privatisierung der Pflege, die vor allem Familien – und darin vor allem Frauen – erneut massiv belasten würde. Geholfen wäre mit einer gerechten öffentlichen Finanzierung, Unterstützung für pflegende Angehörige und Investitionen in die häusliche Pflege, die erwiesenermaßen tragende Stütze bleibt. „Pflege darf kein Luxus sein, den sich nur manche leisten können“, sagt Fichtmüller.
Statt neue Arbeitsgruppen oder spröde Kommissionsberichte zu bemühen, verlangt der Verband Taten: Die Vorschläge aus dem breiten gesellschaftlichen Bündnis und von Wohlfahrtsverbänden gehören in das Gesetz – nicht ins Fußnoten-Verzeichnis künftiger Berichte.
Wider das Durchwursteln
Die derzeitigen Gespräche in Bund und Ländern, auch mit Stimmen aus Hamburg und NRW, zeigen zwar Reformoffenheit; doch solange das Ergebnis aus halbgaren Kompromissen besteht, bleibt das Grundproblem ungelöst: Es wird viel über Konzepte diskutiert, aber zentrale Verbesserungen – von der Eigenanteilsgrenze bis zur solidarischen Finanzierung – landen bestenfalls im Begleittext. Fichtmüller warnt vor reiner Symbolpolitik und fordert, die breite zivilgesellschaftliche Allianz nicht länger als Statisten zu behandeln.
Der ASB betont nachdrücklich, dass Pflege weit über Finanzeffizienz und Rechenspiele hinausreicht: Sie ist ein zentrales Versprechen des Sozialstaats. Die derzeitigen politischen Zwischenergebnisse wirken halbherzig – es fehlt der Mut zu einer klaren, auskömmlichen Finanzierung und zur echten Einbindung gesellschaftlicher Akteure. Statt kleinteiliger Modelldebatten fordert der ASB: Klare Begrenzungen bei Eigenanteilen, Verzicht auf private Zusatzpolicen und eine Pflegepolitik, die familiäre Pflege stärkt – damit Solidarität und Sicherheit nicht in Zahlenkolonnen verloren gehen. Ergänzend zu diesen Forderungen verdichten aktuelle Medienberichte die Stimmung: Inzwischen warnen zahlreiche Akteure vor einer anhaltenden Überlastung der Pflegekräfte und einer finanziellen Schieflage in der Pflegeversicherung. Beispielsweise berichten taz und Spiegel, dass die Herausforderungen der alternden Bevölkerung und der Fachkräftemangel zunehmend in den Mittelpunkt rücken. Zudem wird in vielen Analysen bemängelt, dass die angekündigten Reformen bereits jetzt an den Realitäten im Alltag der Pflegebedürftigen und Pflegenden vorbeigehen – fehlende Investitionen, hohe Eigenanteile und zu komplexe Strukturen lähmen Fortschritte.
Schwerpunkte anderer Leitmedien zu diesem Thema
Die Süddeutsche untersucht ausführlich die steigenden finanziellen Belastungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen: Trotz Reformversprechungen bleibt die Eigenbeteiligung hoch, und Experten warnen vor einer weiteren Verschiebung der Kosten auf die Familien. Zugleich kritisieren Wohlfahrtsverbände einen Stillstand bei dringend benötigten Verbesserungen – etwa bei der Bezahlung von Pflegekräften oder Investitionen in die Infrastruktur Quelle: Süddeutsche Zeitung.
Die Zeit berichtet in ihrem Leitartikel über verpasste Gelegenheiten der Bundesregierung, eine generationengerechte Pflegefinanzierung zu schaffen: Die Diskussionen über Eigenanteile und Kapitaldeckung spalten die Politik, während Pflegebedürftige und Angehörige oft mit Unsicherheiten und Bürokratie belastet werden. Kritisch wird hervorgehoben, dass der gesellschaftliche Konsens über Solidarsystem und staatliche Verantwortung zu bröckeln droht Quelle: Die Zeit.
Im Spiegel schreibt die Redaktion über den zunehmenden Frust in Pflegeberufen: Pflegende fordern mehr Wertschätzung, faire Löhne und entbürokratisierte, menschenzentrierte Reformen. Während Minister über Konzeptpapiere und Zusatzversicherungen diskutieren, wächst die Kluft zwischen Pflegealltag und politischer Entscheidungsfindung weiter an Quelle: Der Spiegel.