Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf äußert deutliche Vorwürfe gegen Bundeskanzler Friedrich Merz sowie die CDU/CSU-Fraktion. Im Gespräch mit der 'Zeit' hebt Brosius-Gersdorf hervor, dass sie vor ihrer Nominierung kaum öffentlich präsent war und der plötzliche Medienrummel, zahlreiche Falschdarstellungen sowie Online-Anfeindungen als besonders belastend empfand. Sie kritisiert, dass ein verzerrtes Bild ihrer Person gezeichnet wurde und ein sachlicher Austausch, insbesondere zu ihrer Haltung beim Schwangerschaftsabbruch, scheinbar nicht gewünscht war. Dies erstaune sie umso mehr, da der betreffende Senat gar nicht mit solchen Fragen befasst sei. Brosius-Gersdorf bemängelt zudem, dass der Bundeskanzler nie Kontakt zu ihr aufgenommen habe und moniert, die Einstufung der Wahl als Gewissensfrage sei unangemessen, da es sich um eine Personalentscheidung handle. Ihr folgenschwerer Rückzug sei das Ergebnis eines mehrwöchigen, schwierigen Abwägungsprozesses gewesen. Trotz ihres fortwährenden Haderns hält sie diese Entscheidung weiterhin für richtig, weil eine Eskalation so verhindert werden konnte, nachdem sachfremde Kampagnen ihre Wahlchancen zunichte gemacht hatten.
Der Fall Brosius-Gersdorf verdeutlicht, wie parteipolitische und gesellschaftliche Kontroversen im Auswahlverfahren für höchste Richterämter an Einfluss gewinnen. Besonders in den letzten Wochen wurde über die parteitaktischen Hintergründe und das Klima im Umgang mit Kandidaten diskutiert: Der Kandidatenrückzug wird als Spiegelbild der Polarisierung und öffentlichen Zuspitzungen in Deutschland wahrgenommen. Bundesweit fordern nun Juristen und Politiker transparente und respektvolle Verfahren, um solche Eskalationen künftig zu verhindern. Zudem gibt es verstärkt Debatten um den Einfluss politischer Erwägungen auf eigentlich unabhängige Ernennungsprozesse, wobei Medienecho und Social-Media-Anfeindungen im Umgang mit Bewerberinnen und Bewerbern zunehmend an Gewicht gewinnen.