Das Düsseldorfer IMK hat mit einer Befragung von 2.700 Personen aufhorchen lassen: Deutlich mehr Deutsche als in der Vergangenheit stehen Ausnahmeregelungen zur Schuldenbremse, etwa für Verteidigung, Verkehr oder Digitalisierung, offen gegenüber. Immerhin 41 Prozent äußern Zustimmung – weitere 22 Prozent zeigen sich unentschieden. Ablehnung kommt noch von 37 Prozent – was überraschend wenig ist, wenn man an althergebrachte Sparideale denkt. Interessant: Besonders Wähler der AfD (67 Prozent) und des BSW (60 Prozent) sind gegen jede Lockerung, während selbst unter Unionsanhängern die Reform meist akzeptiert wird. Unter SPD- und Grünen-Wählern ist die Ablehnung sogar verschwindend gering. Bemerkenswert hohe Zustimmungswerte gibt es für das umfangreiche Sondervermögen für Infrastrukturprojekte (immerhin spricht sich eine knappe Mehrheit ausdrücklich dafür aus) und auch für die kreditfinanzierten Verteidigungsausgaben gibt es erheblichen Rückhalt. Lediglich bei den Bundesländern gehen die Meinungen deutlicher auseinander. Insgesamt zeigen die Ergebnisse: Die Deutschen, einst als Sparfanatiker verschrien, wägen heute die Herausforderungen ab – und akzeptieren die Notwendigkeit von Schulden, sofern sie sinnvoll eingesetzt werden. Die Autoren der Studie interpretieren das als Zeichen eines Reifeprozesses – man stellt sich auf neue Realitäten ein, und nimmt auch die Risiken einer steigenden Schuldenquote bewusster in Kauf, weil man gegenwärtige Investitionen für dringlich hält. Nicht mehr alles muss streng bis aufs Komma ausgeglichen sein.
Die deutsche Bevölkerung hat offenbar einen spürbaren Wandel in ihrer Haltung zur staatlichen Verschuldung vollzogen, wie die aktuelle Studie des IMK demonstriert. Die Mehrheit sieht in Ausnahmen zur Schuldenbremse – insbesondere zur Finanzierung von Verteidigung und Infrastruktur – inzwischen kein Tabu mehr, sondern eine notwendige Maßnahme angesichts multipler Krisen. Die Bereitschaft, mehr Schulden zu akzeptieren, spiegelt sich inzwischen durch alle großen politischen Lager wider, ausgenommen bleiben lediglich einige stark oppositionelle Parteien und ihre Anhänger. Im aktuellen Bundestagsdiskurs führt die Debatte über die Zukunft der Schuldenbremse zu wachsender Spaltung; jüngste Äußerungen von Finanzminister Lindner, der weiter an der Schuldenbremse festhält, treffen im Bundestag auf harsche Kritik von SPD, Grünen und Vertretern der Wirtschaft, die Investitionsstaus, insbesondere bei Digitalisierung und Klimawandel, beklagen. Auch das Handelsblatt berichtet, dass der EU-Reformdruck und geopolitische Unsicherheiten – etwa durch den Ukraine-Krieg – dazu führen, dass in Wirtschaftskreisen und Kommunen zunehmend Ausnahmen von der Schuldenbremse als sinnvoll erachtet werden. Kurios am Rande: Eine Weichenstellung in der deutschen Finanzpolitik könnte letztlich weniger von der Haushaltsethik als von Krisengetriebenen Realitäten diktiert werden.