Chemisches Recycling – Hoffnungsträger mit Startschwierigkeiten

In Deutschland droht das chemische Recycling von Kunststoffen ein Schattendasein zu fristen, obwohl neue Gesetze und EU-Regelungen jetzt Weichen stellen könnten. Warum steckt die Innovation noch in den Kinderschuhen – und was braucht es wirklich für einen Durchbruch?

heute 13:06 Uhr | 18 mal gelesen

Deutschland steht mal wieder an einem interessanten Punkt: Laut einer frischen Studie könnten hierzulande deutlich mehr Kunststoffe recycelt werden, insbesondere durch chemische Verfahren. Doch statt eines Aufschwungs gibt es vor allem unsichere Pilotprojekte – vier kleine Anlagen, eine größere für Altreifen, während neue Projekte oft steckenbleiben. Was läuft schief? Vieles hängt an offenen juristischen Fragen und der ewigen Diskussionsspirale um Massenbilanzierung, wie Matthias Belitz vom Chemie-Verband klagt. Die Industrie klopft an, aber ohne eindeutige Regeln bleibt das Investitionsfieber aus. Christine Bunte von Plastics Europe sieht Deutschland von europäischen Nachbarn überholt, die längst neue Kapazitäten schaffen. Ein Hoffnungsschimmer: Das neue Verpackungsgesetz greift das Thema immerhin auf, aber in Brüssel fehlen noch entscheidende Richtlinien. Derweil bleiben auch bessere Recyclingverfahren wie lösemittelbasierte Prozesse weitgehend außen vor – dabei könnten genau diese besonders hochwertige Rezyklate ermöglichen, die in Zukunft dringend gebraucht werden. Chemisches Recycling funktioniert im Kern so: Plastikabfälle werden zerlegt, Öle und Gase entstehen, die wiederum als Rohstoff für neue Kunststoffe dienen. Klingt glänzend, aber der Anteil solcher recycelter Substanzen bleibt gering – sie werden im Gemisch verarbeitet und der Anteil rechnerisch zugewiesen. Das klingt ein wenig nach Ökostrom aus der Steckdose, ist aber für den Kunststoffkreislauf bislang unverzichtbar. Fakten zum aktuellen Stand: Von über sechs Millionen Tonnen Plastikabfällen jährlich landen gerade einmal 30.000 Tonnen in den wenigen deutschen Chemie-Recyclinganlagen. Das Potenzial ist laut Studie bei weitem größer, vor allem für gemischte, verschmutzte Fraktionen aus dem Gelben Sack, die mechanisch kaum recycelbar sind. Falls alle geplanten Projekte kommen, steigt die Kapazität immerhin auf knapp 13 Prozent des Gesamtaufkommens – realistisch rechnen die Autoren aber eher mit einem moderateren Anstieg. Hauptquelle für geeignete Abfälle bleibt weiterhin der Gelbe Sack, von wo heute bereits über 90 Prozent der Recyclingmenge stammen. Herausgeber der Studie ist die BKV, unterstützt von Chemie- und Kunststoffverbänden.

Chemisches Recycling stellt für die Entsorgung gemischter oder stark verschmutzter Kunststoffe eine echte Alternative zum klassischen Recycling oder zur Müllverbrennung dar. Aktuell existieren in Deutschland nur wenige, meist kleine Anlagen, und noch fehlen klare gesetzliche Grundlagen, damit die Industrie im großen Stil investieren kann. Hinzu kommt eine europäische Hängepartie bei der Frage, wie das chemische Recycling auf gesetzliche Quoten angerechnet wird, was den Ausbau ebenfalls hemmt. Laut Quellen von taz und Süddeutscher Zeitung wächst der politische Druck auf die Regierung in Berlin: Umweltorganisationen lehnen chemisches Recycling als Lösung für Einwegplastik ab und sehen eher Risiken für Klima und Gesundheit (Quelle: taz). In Deutschland drohen Innovationen zu verschleppt zu werden, während etwa in den Niederlanden oder Skandinavien bereits große neue Anlagen entstehen (Quelle: Süddeutsche Zeitung). Studien verschiedener Umweltverbände warnen, dass chemisches Recycling nicht nur CO2-intensiv, sondern auch teuer ist und empfehlen, vorrangig Recyclingkreisläufe für saubere Kunststoffe zu stärken (Quelle: FAZ).

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