DIW-Chef warnt: Rentenwelle der Babyboomer bedroht Unternehmen und Wirtschaft

Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung malt ein düsteres Bild: Der Renteneintritt der Babyboomer könnte einen massiven Arbeitskräftemangel auslösen – und eine Insolvenzwelle nach sich ziehen.

heute 01:18 Uhr | 168 mal gelesen

Es ist schon ein recht beunruhigendes Szenario, das DIW-Präsident Marcel Fratzscher da entwirft. Innerhalb der nächsten Dekade, sagt er im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, wird die deutsche Wirtschaft schätzungsweise fünf Millionen Köpfe verlieren – und zwar an den Ruhestand. Die immer kleiner werdende Erwerbsbevölkerung rücke damit als drängendes Problem ins Scheinwerferlicht, und ehrlich gesagt klingt das wenig nach Optimismus. Wer kann also weiter die Maschinen bedienen, die Zahlen jonglieren, wer die Rechnungen schreiben? Fratzscher sieht eine Kettenreaktion auf uns zukommen: weniger Menschen im Arbeitsleben bedeutet geringeres Wirtschaftswachstum, was wiederum steigende Steuern und Abgaben als möglichen Ausweg erscheinen lässt – oder eben steigende Betriebsschließungen, wenn Unternehmen die Belastungen nicht mehr stemmen. Besonders tückisch: Im Gegensatz zu Zeiten, in denen die Bevölkerung wuchs, kann sich das Wachstum eben nicht mehr wie von selbst anschieben. Wie lässt sich gegensteuern? Für Fratzscher liegt die Antwort zumindest unter anderem in höherer Einwanderung: Mehr Hände, mehr Produktivität. Das klingt simpel, ist aber gesellschaftspolitisch und praktisch nicht gerade ein Selbstläufer. Es bleibt, und darüber verliert der DIW-Präsident nicht viele Worte, auch ein Drahtseilakt, zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Stimmungen und Perspektiven einen tragfähigen Weg zu finden. Sicher ist wohl nur: Komplett ignorieren lässt sich das Problem ganz sicher nicht.

Fratzscher befürchtet angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle einen Kipppunkt für Deutschlands Wirtschaft: Neben den fünf Millionen fehlenden Arbeitskräften steht auch eine sinkende Gesamtbevölkerung in Aussicht – was beides die Basis für Wachstum untergräbt. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen könnten die zusätzlichen Steuer- und Sozialabgabenbelastungen in die Knie zwingen, sollten keine gegengewichtigen Maßnahmen erfolgen. Migration in den Arbeitsmarkt sieht er dabei als dringend nötige Stellschraube, um die drohenden Lücken wenigstens abzufedern – aber die Umsetzung wird noch einiges an politischem Fingerspitzengefühl und gesellschaftlicher Debatte erfordern. Aus aktuellen Recherchen in führenden deutschen Medien geht hervor, dass sowohl die sozialen Sicherungssysteme als auch Unternehmen bereits jetzt vor massiven Herausforderungen stehen. Viele Unternehmen warnen vor Produktionsausfällen und Geschäftsaufgaben durch Personalmangel; der Fachkräftemangel spitzt sich laut neuesten Studien insbesondere in Branchen wie Gesundheit und Handwerk weiter zu. Verschärft wird diese Entwicklung durch stagnierende Zuwanderungszahlen und eine alternde Gesellschaft, wobei die Politik händeringend nach Lösungen sucht, von gezielter Zuwanderungsförderung über Weiterbildung bis hin zu flexibleren Arbeitszeitmodellen.

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