Es kommt selten vor, dass eine Gewerkschaft öffentlich so deutlich gegen die Führungsspitze ihres Unternehmens aufbegehrt – doch genau das macht die EVG gerade. In einem zweiseitigen Schreiben, das unter anderem an die neue Bahn-Chefin Evelyn Palla und den Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Gatzer adressiert wurde, spricht sich Cosima Ingenschay, stellvertretende EVG-Vorsitzende und selbst Mitglied im Aufsichtsrat von DB Cargo, für die zügige Abberufung von Vorstandschefin Sigrid Nikutta aus. Die Argumente? Kein Mangel an Deutlichkeit: Nikutta steuere das Unternehmen mit einer "Strategie des kopflosen Schrumpfens" direkt in eine Sackgasse, die – so der Vorwurf – quasi schon zur Gefahr für die Wirtschaft im Land geworden sei. Ihre bisherige Bilanz liest sich laut Ingenschay vernichtend: Mehr als drei Milliarden Euro Verlust seit Amtsübernahme, keine klaren tragfähigen Ideen, aber immer wieder neue Baustellen.
Die Gewerkschaft hadert besonders damit, dass Nikutta getroffene Absprachen zur besseren Auslastung von Personal nicht ernsthaft umsetze. Stattdessen beschränke sich die Aktivität der Chefin vor allem auf "Schlagzeilen". Beschäftigte und Kundschaft hätten längst das Vertrauen verloren. Ironischerweise, so Ingenschay, war die EVG zunächst optimistisch, als Nikutta den Posten übernahm; der gewünschte Umschwung blieb aus.
Brisant wird die Lage auch deshalb, weil Brüssel den Druck erhöht: Ab 2026 dürfen die hohen Verluste von DB Cargo nicht mehr von der Konzernmutter ausgeglichen werden, die Sparte muss eigenständig profitabel sein oder es droht die Zerschlagung. Ein im Frühjahr vorgelegtes Sanierungskonzept sah massive Einschnitte beim Einzelwagenverkehr vor – die Gewerkschaft vermutet, dass dahinter reine Sparmaßnahmen ohne Perspektive stecken. Hinzu kommt, dass Ingenschay als interimistische Aufsichtsratsvorsitzende nach dem Rücktritt von Richard Lutz noch mehr Verantwortung trägt und betont: Die Zeit für klare Ergebnisse und echte Sanierung läuft ab.
Die Situation bei DB Cargo spitzt sich weiter zu: Die EVG fordert nach anhaltenden Verlusten und mangelnden positiven Impulsen entschlossen die Absetzung von Sigrid Nikutta. Besonders kritisch sieht die Gewerkschaft die seit Nikuttas Übernahme fortgesetzte Verlustserie und eine fehlende glaubwürdige Strategie für eine nachhaltige Sanierung. Neuere Recherchen anderer Medien bestätigen, dass die Debatte um die Ausrichtung des Güterverkehrs der Bahn an Schärfe zunimmt – ein Fortbestehen der Sparte in der bisherigen Form erscheint laut Branchenexperten und Analysten immer unwahrscheinlicher. Verschärfend wirkt der Umstand, dass ab 2026 Eigenständigkeit zwingend vorgeschrieben ist und EU-weite Regularien milliardenschwere Konzern-Zuschüsse künftig unterbinden. Zuletzt war von Arbeitnehmer- wie von Arbeitgeberseite deutliche Kritik an einer rein auf Personalabbau abzielenden Sanierungsstrategie laut geworden. Die Bundesregierung betonte gegenüber mehreren Medien, dass der Schienengüterverkehr als Rückgrat der Verkehrswende in Deutschland unverzichtbar bleibe, zugleich aber die Wirtschaftlichkeit von DB Cargo eine Grundvoraussetzung sei. Nikutta selbst sieht sich nach aktuellen Interviews weiterhin dem politischen Druck ausgesetzt, einen Spagat zwischen Sparvorgaben, Beschäftigungssicherung und Modernisierung zu schaffen. Im Bahn-Umfeld und in der Bremer Politik wird zunehmend laut die Forderung diskutiert, dass eine neue Führung mit frischen Konzepten und mehr Rückhalt aus dem operativen Bereich gesucht werden müsse.