Ex-Staatsanwältin fordert Umbruch im Kampf gegen Finanzdelikte

Die frühere Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker sieht massive Mängel beim Vorgehen des Staates gegen Steuerbetrug – und mahnt tiefgreifende Veränderungen an.

heute 04:19 Uhr | 24 mal gelesen

Wenn man Anne Brorhilker zuhört, klingt das fast wie eine bittere Bilanz: Wirtschaftskriminalität habe es in Deutschland oft 'viel zu leicht', wie sie dem 'Handelsblatt' (Mittwoch) erläuterte. Die Behörden, sagt sie, hätten ihre Strukturen denkbar ungünstig aufgebaut – ineffizient, falsch organisiert, oft eher auf schnelle Erfolge getrimmt als auf die Beharrlichkeit, die die Verfolgung kniffliger Finanzdelikte eigentlich braucht. Brorhilker, bis vor Kurzem als Oberstaatsanwältin mit Schwerpunkt auf dem inzwischen berüchtigten Cum-Ex-Komplex befasst, hat seit ihrem Abschied im April kein Blatt mehr vor den Mund genommen. Ihr Resümee: Fachwissen wäre dringend notwendig, aber permanenter Personalwechsel zerschlägt Kontinuität. Sie resigniert fast: 'Das zieht einem jedes Mal den Boden unter den Füßen weg.' Minister kamen und gingen, aber ernsthafte politische Aufmerksamkeit für die Thematik Fehlanzeige. Während kleine Kriminalität großzügig verfolgt werde, verschwinde der millionenschwere Betrug oft in den Mühlen der Bürokratie. Ihr Appell: Eine bundesweite Spezialeinheit mit echtem Biss – unabhängig, spezialisiert und durchsetzungsstark – sonst bleibt alles wie gehabt.

Anne Brorhilker, die früher die Cum-Ex-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln leitete, kritisiert das anhaltend lasche Vorgehen der deutschen Justiz gegen komplexe Steuerstraftaten. Sie sieht weitreichende organisatorische Mängel, etwa ständigen Wechsel von Personal, fehlende Fachkompetenz und eine fehlende Prioritätensetzung der Verantwortlichen. Das führe dazu, dass millionenschwere Steuerhinterziehungen wie beim Cum-Ex-Skandal oft zu wenig verfolgt werden und internationale Finanzkriminelle Deutschland deshalb gezielt als Spielfeld nutzen. Nicht zuletzt kritisiert sie die mangelnde politische Unterstützung für eine tiefere, unabhängige Aufarbeitung der Fälle. Brorhilker spricht sich für eine zentrale nationale Institution aus, die auf internationalen Finanzkriminalität fokussiert – ein Schritt, den einige Fachleute und Stimmen aus der Zivilgesellschaft ebenfalls seit Jahren fordern. In aktuellen Berichten wird häufig auf weiteres Wachstum von Finanzkriminalität und Verdachtsmeldungen in Deutschland verwiesen, etwa im Immobilienbereich. Die Bundesregierung diskutiert aktuell eine Verschärfung der Geldwäschegesetze sowie die Einführung von mehr Transparenz- und Kontrollmechanismen. Nach Expertensicht sind technische Aufrüstung der Ermittlungsbehörden und bessere internationale Kooperation entscheidend für wirksame Prävention und Verfolgung.

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