Misstrauensvoten überstanden: Lecornu bleibt französischer Premier unter Druck

Frankreichs frisch ernannter Premier Sébastien Lecornu hat am Donnerstag beide Misstrauensvoten im Parlament knapp für sich entschieden.

heute 12:37 Uhr | 39 mal gelesen

Die Linksfraktion sammelte mit ihrem Misstrauensantrag 271 Stimmen – zu wenig, um Lecornu zu stürzen. Die Rechtspopulisten kamen mit ihrem Versuch nicht einmal auf die Hälfte der benötigten Stimmen: nur 144 Abgeordnete machten mit. Wer im Vorfeld von einem wackeligen Premierminister ausgegangen war, wurde nach der Abstimmung einmal mehr bestätigt: Die Sozialisten sagten, sie würden kein Misstrauen aussprechen, nachdem Lecornu ihnen bei wesentlichen Streitpunkten, etwa der umstrittenen Rentenreform, entgegengekommen war. Doch ihre Bereitschaft ist brüchig; weitere Zugeständnisse könnten nötig werden. Frankreichs politische Landschaft wirkt seit den vorgezogenen Neuwahlen im Sommer 2024 zersplittert. Die Nationalversammlung ist in drei große Lager zerteilt, von denen keines alleine kontrolliert. Fünf verschiedene Premierminister haben sich seit Jahresbeginn im Amt versucht, zuletzt auch Lecornu selbst, der erst zurücktrat und dann postwendend von Präsident Macron wieder eingesetzt wurde. Die Regierung steht also – trotz überstandener Abstimmung – weiterhin auf sprödem Fundament.

Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu konnte sich bei zwei Misstrauensabstimmungen behaupten, da der sozialistische Block nach vorherigen Zugeständnissen der Regierung keine Unterstützung für die Anträge zeigte. Dennoch bleibt die politische Situation instabil, weil die Sozialisten und andere Fraktionen weitere Kompromisse fordern und die parteilichen Lager in der Nationalversammlung tief gespalten sind – eine stabile Mehrheit ist nicht in Sicht. Nach Recherchen weiterer aktueller Berichte hat Lecornu unmittelbar nach der Abstimmung mit wirtschaftlichen und sozialpolitischen Maßnahmen nachgesteuert, etwa im Bereich Mindestlohn und Energiepreise, um seine Position zu festigen; zudem beobachten Kommentatorinnen und Kommentatoren eine Erosion des Vertrauens der französischen Bevölkerung in politische Institutionen, besonders angesichts der wiederholten Regierungswechsel und des langanhaltenden Reformstaus. Laut Medienkommentaren rücken auch internationale Investoren und EU-Partner auf Distanz und fordern mehr Planbarkeit in Frankreichs Politik.

Schwerpunkte anderer Leitmedien zu diesem Thema

Erster Artikel: Ein ausführlicher Beitrag beleuchtet die Auseinandersetzungen um Lecornus Regierung, verweist auf die Rolle der Gewerkschaften im aktuellen politischen Klimas und ordnet die Wiederernennung des Premiers als Zeichen der Ratlosigkeit im französischen System ein, wobei befürchtet wird, dass Neuwahlen keine klare Mehrheitsbildung bringen würden (Quelle: Die Zeit).

Zweiter Artikel: Ein langes Interview mit Politikwissenschaftlern diskutiert die Unsicherheiten nach den Neuwahlen, die Zersplitterung der Parteienlandschaft und wie Präsident Macrons Entscheidung, Lecornu erneut einzusetzen, das Machtvakuum nur vorübergehend überdeckt (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Dritter Artikel: Ein Hintergrundbericht schildert die Herausforderungen, die auf Frankreichs Regierung zukommen: massive Haushaltsdefizite, Druck auf den Mindestlohn, Unruhen in den Vorstädten und das abgekühlte Verhältnis zwischen Paris und Berlin – im Fokus steht, wie Lecornu das fragile Gleichgewicht halten will (Quelle: Süddeutsche Zeitung).

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