Kiesewetter: Deutsche Selbstkritik im Nord-Stream-Komplex gefordert

Der außenpolitische Sprecher der CDU, Roderich Kiesewetter, zeigt Verständnis für das Zurückhalten italienischer und polnischer Behörden bei der Auslieferung mutmaßlicher Nord-Stream-Beteiligter an Deutschland und mahnt Selbstreflexion an.

heute 12:38 Uhr | 44 mal gelesen

„Wenn ich ehrlich bin, sehe ich das Verhalten Deutschlands rund um Nord Stream seit jeher kritisch“, meinte Kiesewetter laut ‚Handelsblatt‘. „Kein Wunder, dass Staaten wie Italien oder Polen wenig Motivation haben, unsere Justiz mit diesen Fällen zu bedienen.“ Seiner Einschätzung nach hätte man die Nord-Stream-Pipelines – ein offensichtliches Druckmittel Russlands – gar nicht erst aus der Taufe heben sollen. Das Verhältnis zu Polen habe dadurch ernsthaft gelitten, so Kiesewetter. Es wäre an der Zeit, dass Deutschland mit offenem Blick die eigene Russlandpolitik hinterfragt – und zwar nicht nur oberflächlich. Auch mögliches russisches Einwirken auf politische, wirtschaftliche und mediale Strukturen hierzulande sollte, so der CDU-Mann, nicht unter den Teppich gekehrt werden. Dies wäre vielleicht ein erster Schritt, um das Vertrauen der Partner zurückzugewinnen, meint Kiesewetter. Darüber hinaus deutet er an, dass die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter möglicherweise eingestellt werden könnten – insbesondere, wenn sich der Verdacht auf eine sogenannte False-Flag-Operation bestätigt und keine Beweise mehr greifbar sind. So ein Szenario, bei dem die Spuren bewusst in die Irre führen, mache die Aufarbeitung extrem schwierig: „Am Ende könnte der Staatsanwaltschaft nichts anderes übrig bleiben, als das Verfahren ruhen zu lassen.“

Kiesewetter stellt einmal mehr infrage, wie Deutschland im Fall Nord Stream agiert hat – sowohl politisch als auch bei der rechtlichen Aufarbeitung. Er appelliert an die Bundesregierung, mehr Demut gegenüber den europäischen Partnern zu zeigen und die eigene Rolle schonungslos zu analysieren. Insbesondere der gesellschaftliche Umgang mit russischen Einflussnahmen gehört für ihn ebenso auf den Prüfstand wie mögliche Ermittlungsfehler im Zusammenhang mit der Pipeline-Sabotage. In aktuellen Medienberichten wird indes deutlich, dass der Nord-Stream-Fall weiterhin für diplomatische Spannungen sorgt: Erst jüngst lehnten Polen und Italien die Überstellung von Verdächtigen ab, was auf anhaltendes Misstrauen gegenüber der deutschen Justiz schließen lässt. Zugleich steht die Bundesanwaltschaft vor der schwierigen Entscheidung, das Ermittlungsverfahren eventuell endgültig einzustellen, da Beweise fehlen und eine Verschleierungstaktik nicht ausgeschlossen werden kann. Internationale Beobachter betonen immer wieder, wie sehr die Pipeline-Frage auch geopolitisch nachwirkt – und Deutschland zwischen Erklärungsnot und Selbstkritik balancieren muss. (Ergänzt am 09.06.2024 um Informationen aus aktuellen europäischen Quellen zu außenpolitischen Reaktionen und Ermittlungsfortschritten.)

Schwerpunkte anderer Leitmedien zu diesem Thema

Die Süddeutsche Zeitung berichtet ausführlich über die anhaltenden Ermittlungen zur Nord-Stream-Sabotage und die diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und Partnerstaaten. Trotz intensiver Bemühungen gibt es bisher nur spärliche Hinweise auf die Täter, und neue Details zu internationalen Ermittlungsansätzen werden diskutiert (Quelle: Süddeutsche Zeitung).

Die Zeit untersucht die Entwicklungen rund um die Nord-Stream-Explosionen und stellt die Frage, wie groß das Vertrauen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten noch ist. Es wird kritisch beleuchtet, wie die politische und gesellschaftliche Aufarbeitung in Berlin stockt und welche Unsicherheiten bezüglich russischer Einflussnahme bestehen (Quelle: Die Zeit).

Auf Spiegel Online gibt es einen aktuellen Bericht, der neben dem Rückzug von Ermittlungen in Italien und Polen vor allem die juristische Unsicherheit rund um das Verfahren gegen mutmaßliche Attentäter in den Fokus rückt. Das Dossier geht zudem den Spuren möglicher False-Flag-Operationen nach und beschreibt die Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit bei der Aufklärung (Quelle: Der Spiegel).

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