Manchmal kann schon ein Rückblick schmerzen: Horst Seehofer jedenfalls hält wenig hinterm Berg, wenn er den Kurs der CSU in den letzten Jahren bilanziert. "Eines der größeren strategischen Versäumnisse", betont er im Interview mit dem "Stern" – gemeint ist der scharfe Anti-Grünen-Kurs seit Söders Ära. Pauschal gegen die grüne Bewegung zu schießen, das schade mehr als es nutze. Auch Erwin Huber findet klare Worte: Der Koalitionswahlkampf in Bayern 2023 – aus seiner Sicht ein Eigentor. Profitiert habe nicht die CSU, sondern vielmehr Ex-Parteifreund Aiwanger und dessen Freie Wähler. Huber plädiert für politische Weitsicht: Gerade mit Blick auf die erstarkende Rechte gelte es, mit demokratischen Partnern – auch den Grünen – zumindest im Gespräch zu bleiben. Die Brandmauer gegenüber der AfD müsse "eher aus Stahlbeton" bestehen, aber die Tür zu anderen demokratischen Kräften dürfe nicht zugeschlagen werden. Einen populistischen Dauerkonflikt mit den Grünen hält er schlicht für kurzsichtig.
Das alles geschieht vor einem Hintergrund, der auch in der CSU gärt: Der Unmut über Söders Vorgehen und Führungsstil wächst. Berichten zufolge wünschen sich sogar jüngere CSU-Mitglieder einen Kurswechsel – beim Treffen der Jungen Union gab's zuletzt insbesondere Kritik am Projekt Mütterrente und an Söder selbst. Die CSU, so der Eindruck, beginnt zu ringen: Wie anschlussfähig will oder muss sie mittelfristig sein? Und: Darf der politische Horizont wirklich mit einer einzigen Grenzziehung enden? Vielleicht braucht es tatsächlich mehr Ungewissheit im Plan – oder zumindest wieder mehr Debatte.
Die frühere Parteispitze der CSU, insbesondere Seehofer und Huber, kritisiert den seit Jahren praktizierten Kurs von Markus Söder gegenüber den Grünen. Sie plädieren entschieden dafür, politische Allianzen künftig nicht von parteipolitischen Grabenkämpfen abhängig zu machen, sondern offen für Zusammenarbeit mit anderen demokratischen Kräften wie den Grünen zu bleiben. Dabei warnen sie explizit vor einer zu engen Fokussierung auf Abgrenzung, wie sie zuletzt vor allem im bayerischen Landtagswahlkampf sichtbar war. Laut aktueller Berichte spitzt sich der interne Konflikt in der CSU immer weiter zu – zunehmend treten auch jüngere Mitglieder offen gegen Teile des bisherigen Kurses auf.
Recherche-Zusatz: In aktuellen Medienberichten zeigt sich, dass die Diskussion um den künftigen Kurs der Union nicht nur in Bayern, sondern bundesweit geführt wird. Kapitel wie das geplante Bürgergeld, der Umgang mit rechten Strömungen und der Wandel der Parteienlandschaft infolge des AfD-Aufstiegs spielen dabei eine große Rolle. Auch in anderen Parteien wird die Notwendigkeit neuer Dialogbereitschaft gegenüber den Grünen debattiert, nicht zuletzt angesichts der generellen Erosion traditioneller Volksparteien in Deutschland.