„Eine Zuckersteuer brauchen wir nicht“, stellte Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer im Interview mit der Rheinischen Post deutlich klar. Steueranpassungen seien ohnehin nicht Thema des aktuellen Koalitionsvertrags, sagt er – und überhaupt, wer wolle schon ständig neue Verbote oder Auflagen? Rainer setzt stattdessen auf die Zusammenarbeit mit den Lebensmittelherstellern: Durch lockere Selbstverpflichtungen sollen Zucker, Fett und auch Salz nach und nach aus Fertigprodukten zurückgefahren werden – klammheimlich, ohne Zwang und Drohkulisse, wie es klingt. Das Problem der zunehmenden Zahl übergewichtiger Kinder begründet der Minister nicht nur mit der Ernährung allein. Wenig Bewegung, Überdosis Bildschirm – es gibt viele Gründe, meint er, warum das Gewicht vieler Jüngerer aus dem Ruder läuft. Gemeinsam mit den Ressorts Gesundheit und Familie wolle das Landwirtschaftsministerium deshalb eine Initiative für mehr Bewegung und bewusste Ernährung starten – Gespräche unter Politikern habe es dazu bereits gegeben. Spannend dabei: Während Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther eine neue Zuckersteuer per Bundesratsinitiative pushen will, formiert sich Widerstand innerhalb der Branche. Vertreter der Ernährungsindustrie finden den Vorschlag zeitlich und inhaltlich daneben, zumal es ähnliche Steuern etwa in Großbritannien oder Dänemark laut eigenen Angaben kaum gebracht hätten. Stattdessen wird gefordert, dass Politik und Wirtschaft direkt reden – und nicht übereinander.
Die Debatte um die Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland polarisiert: Während Landwirtschaftsminister Rainer eine Steuer kategorisch ablehnt und auf eine freiwillige Reduktionsstrategie der Lebensmittelindustrie setzt, argumentieren Gegner wie der Branchenverband, dass ähnlich gelagerte Abgaben im Ausland scheiterten und eine Steuer eher Symbolpolitik wäre. Initiativen für eine Zuckersteuer wie von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther bekommen Gegenwind, nicht nur aus den Reihen der Industrie, sondern auch von Teilen der Bundesregierung – die offenbar lieber auf Aufklärung und Prävention setzen. Neuere Medienberichte greifen die Unsicherheiten hinsichtlich der Effektivität von Zuckersteuern auf, verweisen aber auch auf internationale Studien, die zumindest teilweise einen Rückgang des Zuckerkonsums und damit verbundener Krankheiten verzeichnen; aktuell bleibt die Debatte zwischen Verantwortung, Freiheit und staatlicher Lenkung weiter offen. Nach meiner Recherche ist das Thema in Deutschland in steter Bewegung: Die Süddeutsche berichtet etwa über politische Lagerkämpfe zur Zuckersteuer und über Lobbyeinflüsse, DW hebt die internationale Entwicklung in der Nahrungsmittelpolitik hervor, und die taz widmet sich in einem Hintergrundbeitrag der Frage, wie viel Einfluss Gesetze tatsächlich auf Ernährung und Gesundheit nehmen.