Wagt Deutschland ein Atom-Comeback? IAEA sieht neue Signale

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Mariano Grossi, rechnet mit einer möglichen Kehrtwende Deutschlands in Sachen Kernkraft – zumindest indirekt.

heute 20:16 Uhr | 26 mal gelesen

Rafael Mariano Grossi, der oberste Mann der IAEA, ist überzeugt: Es brodelt unter der Oberfläche der deutschen Energiepolitik. In einem Interview mit dem "Energie und Klima"-Newsletter von Politico berichtete er von ernsten Überlegungen, die er seitens der Bundesregierung wahrnehme – speziell im Austausch mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) während eines Treffens der G7-Energieminister in Toronto. Seine Karte Europas, so Grossi, zeigt fast wieder überall wachsende Atomenergie, bloß Deutschland und Spanien bilden die Ausnahme. Doch, und hier wird es pikant, gerade bei Deutschland spürt er einen unterschwelligen Willen zur Rückkehr – vielleicht nicht gleich mit gigantischen Kraftwerken, die zu teuer und politisch zu sprengstoffartig sind, sondern mit neuen Technologien wie kleinen, modularen Reaktoren (SMR) oder sogar ganz futuristisch mit Kernfusion. Grossi meint, die Kompetenzen für Nukleartechnologien schlummern weiterhin in der Bundesrepublik. In naher Zukunft rechnet er damit, dass sich das wieder zeigt. Ein bisschen wie ein einst berühmter Musiker, der das Comeback schon plant, aber noch nicht öffentlich probt. Die Ampelkoalition hat übrigens jüngst einen Fusionsenergie-Aktionsplan verabschiedet – im Koalitionsvertrag ist sogar festgehalten, dass Deutschland den ersten Fusionsreaktor der Welt bauen will. Reiche wiederum betonte erst im Mai auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel, dass man bei den SMR-Technologien nicht den Anschluss verlieren dürfe: "Wenn wir auch das verschlafen, verspielen wir ganz klar unsere Chancen." Auch beim Berlin Global Dialogue nahm sie kein Blatt vor den Mund. Das offizielle Dementi kommt prompt: Das Bundeswirtschaftsministerium versichert gegenüber Politico, atomare Option stehe nicht auf der politischen Agenda. "Zu privaten Gesprächen machen wir keine Aussagen", heißt es dürr. So bleibt – wie so oft – eine Restunschärfe zurück.

Die Debatte um Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft erhält einen neuen Impuls durch die Aussagen von IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi. Während offiziell kein Kurswechsel bei der Bundesregierung angekündigt ist, wird hinter den Kulissen offenbar intensiv über innovative Kerntechnologien wie Small Modular Reactors (SMR) und Kernfusion diskutiert. Neuere Berichte belegen, dass die Diskussion um SMR international an Fahrt aufnimmt: Laut Süddeutscher Zeitung arbeitet Kanada bereits konkret an SMR-Pilotprojekten und hofft, bis 2028 den ersten Reaktor ans Netz zu bringen, auch Großbritannien und Frankreich investieren stark in diese Richtung. Die Zeit berichtet, dass die Ampelkoalition die Forschung an der Kernfusion mit Milliarden unterstützen will, aber auch mit massiver Skepsis aus der Opposition konfrontiert wird. Nach Informationen des Spiegel zeigen Industriekommentare, etwa von Siemens Energy, grundsätzliches Interesse an neuen Reaktorkonzepten, mahnen aber vor zu großem politischem Druck und unklaren finanziellen Perspektiven. Gerade vor dem Hintergrund explodierender Strompreise und einer unsicheren Gasversorgung scheint ein Nachdenken über Atomenergie politisch wieder möglich, selbst wenn es noch nicht offen kommuniziert wird.

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