Wenn Luftretter das Fliegen für den Ernstfall proben – Windentraining für Berliner Rettungshubschrauber-Teams

Berlin – Sekunden entscheiden mitunter über Leben und Tod. Wie geprobt wird, falls ein Rettungshubschrauber unmöglich landen kann: Die Crew von 'Christoph 100' übt, wie sie Menschen per Seilwinde aus städtischem Umfeld birgt – zwischen Bäumen, Gebäuden, mitten in der Großstadt.

24.10.25 13:01 Uhr | 27 mal gelesen

Der Rettungshubschrauber 'Christoph 100', besetzt aus Mitgliedern der DRF Luftrettung, der Berliner Feuerwehr sowie dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin, trifft sich alljährlich zum ganz speziellen Windentraining – eine Mischung aus Actionfilm und Hochpräzisionsarbeit, ehrlich gesagt.

Ein Balanceakt für alle Beteiligten

Trainiert wurde diesmal auf dem Truppenübungsgelände Lehnin – kleine Waldungen, verwinkelte Gelände, keine perfekten Landeplätze, sondern echtes „Berlin-Feeling“ für die eingeflogenen Profis. Da muss der Pilot auf einer zugewucherten Böschung mit einer Kufe balancieren, während Retter im Steilhang abspringen. Irgendwie erinnert das an die Turnübungen der eigenen Jugend, nur mit mehr Adrenalin und Rotoren oben drüber (und natürlich Lebensgefahr).

„Wenn der Rotor direkt über einen donnert, bleibt kaum Zeit für Fehler“, schildert Oberstarzt Dr. Lutz Siegl, der nicht nur Notarzt, sondern auch Verantwortlicher für die Notfallmedizin am Militärkrankenhaus ist. Jeder Handgriff sitzt – aber jedes Jahr muss dieses Zusammenspiel neu verinnerlicht werden, weil Routine, na ja, manchmal auch einschläfert.

Wie im echten Einsatz – nur mit etwas weniger Druck

Nach einer Sicherheitsanweisung am Hubschrauber sowie den Windengeräten und dem Durchgehen aller Zeichen, werden Teams wild gemischt in verschiedene Rollen gesteckt. Jedes Szenario spielt eine andere Extremsituation durch: mal Rettung aus Hanglage, mal kniffliges Manövrieren mit Bergesack, mal Abtransport im Rettungstuch. Die Simulation: Im Notfall kann keine Crew sich auf einen bekannten Ablauf stützen.

Abseilhöhe: 50 Meter – das ist dann schon ziemlich weit oben

Und ja, das flößt Respekt ein: Einmal baumeln die Kolleginnen und Kollegen bis zu 50 Meter an einem dünn aussehenden Seil unter dem Rumpf. Viel Spielraum gibt es bei Wind nicht.

„Aus der Perspektive im Hubschrauber bist du nur ein Punkt am Faden“, sagt Dr. Siegl. „Wenn Wind aufkommt, schwingst du unkontrolliert – und der Pilot braucht Humor und Nerven wie Drahtseile.“

Gemeinschaft aus allen Richtungen – Feuerwehr, Militär, Luftrettung

Die Teams setzen sich aus Sanitätern, Ärzten und Piloten verschiedener Institutionen zusammen, fast wie ein Mobiltelefon mit mehreren Betriebssystemen. Das ungewöhnlich Wertvolle: Jeder muss sich auf den anderen verlassen können, auch ohne tägliche Zusammenarbeit. In Berlin gibt es ohnehin nur drei Rettungshubschrauber – „Christoph 100“ übernimmt die Notfälle im Norden.

Der nächste Durchgang dieser unverzichtbaren Übung ist für das kommende Frühjahr anvisiert. Einfach schön zu wissen, dass sich diese Leute freiwillig in gefährliche Situationen bringen, um für andere Leben zu retten. Ganz ohne Netz, aber mit Seil.

Kontakt für Medien: UstgKdoBwPIZ@Bundeswehr.org oder telefonisch über das Presse- und Informationszentrum der Bundeswehr.

Das alljährliche Windentraining der Crew des Rettungshubschraubers 'Christoph 100' dient dazu, höchste Präzision und Teamwork bei extremen Rettungseinsätzen in urbanen Gebieten zu schulen. Sowohl Piloten als auch Rettungskräfte üben dabei komplexe Szenarien, bei denen Absprung und Aufnahme teils auf engstem Raum und unter schwierigen Bedingungen wie Wind und beengtem Gelände stattfinden – inklusive Abseilen aus bis zu 50 Metern Höhe. Ziel ist es, interdisziplinäre Teams aus Bundeswehr, Feuerwehr und DRF so miteinander zu verzahnen, dass im Notfall jeder Handgriff sitzt und Vertrauen in außergewöhnlichen Situationen selbstverständlich bleibt.

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Ergänzung (Recherche Stand: 2024-06-08):
Hubschrauberrettung unter schwierigen Bedingungen gewinnt weiter an Bedeutung, da innerstädtische Räume durch Verdichtung und Verkehr seltener sichere Landeplätze bieten. Laut aktueller Berichte von taz und FAZ stellt die Verfügbarkeit spezieller Trainings – auch für Bergungsmissionen unter Extremwetterbedingungen – für viele Rettungshubschrauber-Standorte in Deutschland eine Herausforderung dar. Zudem wird in Fachkreisen derzeit über eine engere Verzahnung der zivilen Notfallrettung mit militärischen Ressourcen diskutiert, weil die Notwendigkeit gemeinsamer Einsatzkonzepte sowohl für Großschadenslagen als auch für die Alltagsrettung wächst.

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