Als 2001 erstmals der Bericht zu Armut und Reichtum veröffentlich wurde, schöpfte Bernd Siggelkow Hoffnung. Endlich, dachte er, Respekt – jetzt rückt Kinderarmut auf die Agenda. Doch Ernüchterung stellte sich ein: „Mittlerweile haben sich die Zahlen verfinstert, während die Geburten abnehmen. Man fragt sich schon, wie das in einem der wirtschaftsstärksten Länder Europas sein kann, dass eine richtige Strategie gegen Armut fehlt." Tag für Tag begleiten Arche-Mitarbeiter etwa 11.000 Kinder bundesweit. Seit ihrem Ursprung in Berlin-Hellersdorf Mitte der Neunziger hat die Organisation mehr als 100.000 Kinder erlebt und gefördert. "Ironischerweise ist unser Erfolg das Symptom für den Misserfolg der Gesellschaft insgesamt“, so Siggelkow. Ein echtes politisches Interesse vermisse er seit Jahren – kein Wunder, Kinder sind keine Zielgruppe für Wahlen: „Vor den Wahlen gibt es kurz Blitzlichtgewitter mit Kindern, dann war's das." Inzwischen ist Siggelkow der CDU beigetreten, kandidiert sogar bald fürs Berliner Abgeordnetenhaus. Die Lage hat sich durch den starken Zuzug Geflüchteter weiter verschärft. Längst hat die Arche Aufgaben übernommen, die sonst in staatlicher Verantwortung liegen, etwa Sprachförderung für Eltern. „Wer die Integration verschläft, überlässt den politischen Randparteien ein Spielfeld", sagt Siggelkow. Zwischenruf: Beim Thema Zuwanderung sieht er im Übrigen handfeste Fehler - etwa die Ballung von Geflüchteteneinrichtungen in ohnehin benachteiligten Stadtteilen: "Statt neue Perspektiven schafft man nur neue Problem-Herde. Und Schulen platzen aus allen Nähten mit Kindern, die zum Teil kaum Deutsch sprechen. Wir bei der Arche, ehrlich gesagt – bei uns klappt die Begegnung. Da spielen syrische, afghanische und deutsche Kinder einfach zusammen, ganz ohne große Theorie."
Siggelkow erhebt schwere Vorwürfe gegen die Politik: Sie habe es versäumt, das Problem der Kinderarmut in Deutschland strukturell anzugehen, obwohl Armut seit Jahren steigt und die Gesellschaft objektiv wohlhabend ist. Für ihn liegt der Grund darin, dass Kinder bei Wahlen keine Stimmen bringen, weshalb ihre Interessen oft hintenüberfallen. Zusätzlich sieht Siggelkow die unkoordinierte Integrationspolitik für weitere soziale Spannungen verantwortlich, da Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund häufig in ohnehin sozial belasteten Vierteln konzentriert würden anstatt für echte Durchmischung zu sorgen.
In aktuellen Berichten wird das Armutsrisiko für Kinder in Deutschland weiterhin als alarmierend eingeschätzt, zum Beispiel spricht die Bertelsmann Stiftung weiterhin von Millionen betroffenen Minderjährigen. Die Bundesregierung steht unter wachsendem Druck, unter anderem durch Auseinandersetzungen um die Kindergrundsicherung. Besonders kritisiert werden die langen Wartezeiten bei Sozialleistungen und die mangelnde Berücksichtigung gesellschaftlicher Benachteiligung in politischen Konzepten. Die aktuelle Debatte dreht sich zudem um das Zusammenspiel von Wohnungsnot, Bildungschancen und schulischer Integration von Kindern aus geflüchteten oder zugewanderten Familien – wesentliche Herausforderungen bleiben ungelöst.