Es ist manchmal schon erstaunlich, wie direkt manche Gedanken ausgesprochen werden: Armin Laschet, seit jeher ein Anhänger eigenständiger europäischer Politik, meint, Europa sollte gegenüber Russland deutlicher sichtbar auftreten. „Wir Europäer sollten unsere eigenen Vorstellungen direkt übermitteln und nicht ständig über Dritte kommunizieren“, sagte er in einem Interview auf RTL und ntv. Man fragt sich ja, warum bislang so oft die Amerikaner als Vermittler dienen – Laschet hält das für eine Art Flüsterpost, bei der vieles auf der Strecke bleibt. Dass nicht zwangsläufig der Außenminister eines einzelnen EU-Landes diesen Posten ausfüllen müsse, klingt zunächst pragmatisch.
Aber, wie es so oft ist: Es gibt prompt Gegenwind. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die im EU-Parlament für Sicherheit und Verteidigung zuständig ist, hegt Zweifel: Ihrer Einschätzung nach hat Putin schlicht kein Interesse an Gesprächen mit Europa. „So einfach läuft das nicht, und Laschet weiß das auch.“ Sie meint sogar, Putins eigentliches Ziel sei, Europa zusammen mit einem möglichen US-Präsidenten Trump neu zu sortieren – eine riskante Sache für den Kontinent. Schon manches Mal hat man den Eindruck, dass Europa zwar reden möchte – aber nicht immer auch Gehör findet.
Diese Debatte zeigt, wie unterschiedlich die Sichtweisen innerhalb der EU sind: Wieviel Selbstbewusstsein wollen und können wir uns leisten? Und will Moskau überhaupt, dass die EU ein eigenständiger Player am Verhandlungstisch wird, oder spielen wir uns die Bälle letztlich im Rahmen der geopolitischen Machtspiele nur selbst zu?
Laschet macht sich stark für neue Wege in der Russland-Politik der EU: Ein eigener Sondergesandter soll Europas Interessen direkter vertreten und verhindern, dass Gesprächsinhalte auf dem Umweg über die USA verwässert werden. Sein Vorschlag stößt jedoch sowohl auf Zustimmung als auch Skepsis: Kritiker wie Strack-Zimmermann fürchten, Russland habe kein echtes Interesse am Dialog mit Europa und verfolge eigene, gefährliche Pläne mit den USA, speziell für die Zeit nach den US-Wahlen. Aktuell zeigen Medienberichte, dass innerhalb der EU durchaus Überlegungen diskutiert werden, wie man die eigene außenpolitische Rolle stärken kann – etwa durch diplomatische Initiativen, klarere Positionierungen (u.a. bei Friedensverhandlungen) oder einen verstärkten europäischen Sitz in multilateralen Gesprächen. Laut aktuellen Recherchen vom 3. und 4. Juli 2024 verfolgen mehrere EU-Staaten bereits Gespräche über einen stärkeren gemeinsamen diplomatischen Auftritt im Ukraine-Konflikt und bei neuen Russland-Sanktionen. Gleichzeitig heizt die Debatte um einen US-Wahlsieg von Donald Trump die Diskussion zusätzlich an, da viele EU-Regierungen fürchten, dass im Fall von Trumps Sieg eine Annäherung zwischen USA und Russland auf Kosten Europas stattfinden könnte. Offen bleibt, wie konkret und einheitlich sich die EU intern zu solch einem Sondergesandten-Angebot verständigen kann – der Vorschlag von Laschet bringt Bewegung, aber auch Uneinigkeit.