Das jüngste ARD-Dokudrama ist Ergebnis einer Kooperation aller neun ARD-Landesrundfunkanstalten, diesmal unter der Leitung von NDR und BR. Das Team setzte gezielt darauf, gerade ein jüngeres Publikum anzusprechen – mit Bildern, die unter die Haut gehen, aber ohne mahnenden Zeigefinger. Christine Strobl, ARD-Programmdirektorin, betont die Bedeutung solcher Formate am Gedenktag: „Gerade an solch einem Tag ist das Bedürfnis nach Tiefgang groß – und wir sorgen dafür, dass historische Zusammenhänge greifbar werden.“ Juliane von Schwerin sieht „Nürnberg 45“ als Herzprojekt, das Geschichte nahbarer, frischer, greifbarer machen will, und Ellen Trapp hebt hervor, wie wichtig die Stimmen Überlebender – allen voran Szmaglewska und Michel – für heutige Erinnerungskultur sind. Besonders Schulen und Unis scheinen Interesse: Das Feedback darauf war „herausragend“, was Hoffnung macht.
Die Hauptrollen, gespielt von Jonathan Berlin und Katharina Stark, werden durch Zeitdokumente und Interviews ergänzt – u.a. mit Ernst Michels Tochter und Seweryna Szmaglewskas Sohn. Immer wieder blitzt dabei der Abgrund auf, vor Gericht wie auf der Anklagebank, während der Prozess den Tätern die Menschlichkeit systematisch abschält.
Parallel zur TV-Ausstrahlung erschienen zwei Podcasts: „Seweryna und die unsichtbaren Nazis“ (NDR), ein vierteiliges Audioformat über Szmaglewskas Erleben im KZ und ihre Zeugenaussage, und „Der Nürnberger Prozess – Die Täter und ihr Psychologe“ (BR), der sich mit den mentalen Profilen der Angeklagten und den Beobachtungen Gustave M. Gilberts beschäftigt. Interessierte können beide Formate in der ARD Audiothek streamen.
Für Neugierige: Das Dokudrama ist in der ARD Mediathek abrufbar. Die Podcasts sind im Feed von „Alles Geschichte“ zu finden.
„Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen“ befasst sich in innovativer Weise mit den Ursprüngen der Nürnberger Prozesse vor 80 Jahren: Mit emotionalen Erzählsträngen und Archivmaterial zeichnet die Produktion nach, wie Überlebende wie Seweryna Szmaglewska und Ernst Michel Zeugnis gegen die Hauptkriegsverbrecher ablegen. Besonders auffällig: Die Resonanz in Schulen und Universitäten ist groß, was die Rolle der Erinnerungskultur und Bildung betont. Während das Publikum laut Quoten und Abrufzahlen vielschichtig war, richtet sich das crossmediale Angebot besonders an ein jüngeres Publikum, das klassische Geschichtsvermittlung oft als trocken erlebt – ein Ansatz, den Medienexperten als zeitgemäß würdigen. Die Podcasts, die parallel in der ARD Audiothek verfügbar sind, liefern ergänzende Tiefen: Einer beleuchtet die Aussagen und Erlebnisse der Überlebenden (mit Focus auf die Rolle von Frauen im Gerichtssaal), der andere widmet sich erstmals ausführlich den psychologischen Dimensionen und Rechtfertigungen der NS-Angeklagten.
In aktuellen Recherchen anderer Medienportale wird zudem auf die Aktualität der Nürnberger Prozesse verwiesen – etwa im Spiegel, der den historischen Kontext mit Blick auf heutige Völkerrechtsverfahren reflektiert, oder in der FAZ, die die Rolle von Zeitzeugen im modernen Geschichtsunterricht diskutiert.
Mehr noch: Analysen aktueller Fernsehproduktionen und Podcasts unterstreichen, wie Erinnerungskultur durch neue Erzählformen, Multimedialität und persönliche Perspektiven lebendig gehalten wird. Kritische Stimmen loben den Mut, dabei auch emotionale Grauzonen und individuelle Ambivalenzen zuzulassen.