Merkwürdig, wie schnell aus einem gemeinsamen Traum eine zerbrechliche Angelegenheit werden kann. Thomas Erndl distanziert sich ungewöhnlich offen vom deutsch-französisch-spanischen Kampfflugzeugprojekt FCAS. Im Gespräch mit Politico betont er: Der französische Partner wolle die bisherigen Vereinbarungen zur industriellen Arbeitsteilung aufbrechen – und warnt, sollte das Projekt feststecken, müsse sich Deutschland wohl oder übel Alternativen suchen. "Zwei eigene Jets oder eine neue Entwicklung, bei der Deutschland die Führung übernimmt – uns bleibt keine Zeit, wir brauchen Lösungen", sagt er fast entschlossen. Ob dann Frankreich seinerseits einen eigenen Weg geht? Möglich wäre es und ehrlich gesagt, wundert einen in dieser Angelegenheit inzwischen wenig.
Trotzdem sieht Erndl im europäischen Rahmen Vorteile, plädiert aber dafür, das Heft des Handelns notfalls alleine in die Hand zu nehmen: "Es zählt jetzt die Zeit, wir können uns keine weiteren Verzögerungen mehr leisten, wenn wir verhindern wollen, dass unsere Fähigkeiten in der Luftfahrt zu Lücken werden." Gleichwohl, Kooperationen – da, wo sie funktionieren – seien keineswegs vom Tisch. Interessanterweise verweist er auf den A400M, ein europäisches Transportflugzeug, das ja tatsächlich am Anfang Probleme hatte, inzwischen aber oft als solide Lösung gilt. Der Knackpunkt bleibt allerdings: An einem Modell sollte man die Gesamtidee gemeinsamer Rüstung nicht scheitern lassen – und doch, manchmal reichen wiederholte Stolperer, um eine Debatte explosiv zu machen.
Im Kern dreht es sich um eine massive Vertrauenskrise innerhalb des FCAS-Projekts, bei dem die geplante Aufteilung von Entwicklung und Produktion zum Streitpunkt wurde. Thomas Erndl signalisiert, dass Deutschland, sollte es keine Einigung geben, durchaus bereit ist, allein oder mit anderen europäischen Partnern einen neuen Kampfjet zu entwickeln – mit dem Hinweis, dass Zeit ein entscheidender Faktor ist. Trotz der Irritationen erkennt er den Wert europäischer Zusammenarbeit weiterhin an, fordert jedoch im Zweifelsfall nationale Eigeninitiative, um die technischen Rückstände nicht weiter anwachsen zu lassen. Der Hintergrund: Der Bedarf an einem modernen Kampfflugzeug der sechsten Generation ist angesichts geopolitischer Unsicherheiten und technologischer Fortschritte hoch, und das deutsch-französisch-spanische Projekt steht unter zunehmendem Druck, handlungsfähig zu bleiben. In jüngsten Presseberichten wird auch betont, dass politische Spannungen und Industrieinteressen das Vorhaben FCAS mehr und mehr gefährden – was die strategische Autonomie Europas im Verteidigungsbereich insgesamt ins Wanken bringen könnte. Offen bleibt, ob eine neue Konstellation – mit oder ohne Frankreich und Spanien – tatsächlich genug Innovationskraft hätte, um den hohen Anforderungen der nächsten Jahrzehnte gerecht zu werden.