Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, lässt wenig Zweifel daran, wie er die geplante Wehrdienstreform einschätzt – deutlich zu wenig Ambition, seiner Ansicht nach. Nicht nur fehle es an einem parallelen Ausbau von Bildungsangeboten und Maßnahmen für die psychische Gesundheit junger Leute, es fehle schon das kleinste Anzeichen, dass die Politik den Jugendlichen tatsächlich den Rücken stärkt. "So wird das mit der Verteidigungsfähigkeit nichts", meint er und verweist beinahe lakonisch auf einen simplen Wunsch: Milliardeninvestitionen für Bildung und Seelenheil.
André Wüstner, Chef des Bundeswehrverbandes, klingt betont pragmatisch. Für ihn markiert der Kompromiss einen Fortschritt – zumindest sei die Schwelle für das Mitmachen gesenkt, dazu werde die Transparenz beim Truppenaufwuchs erhöht und die Grundlage für eine umfassende Erfassung sowie Untersuchung ganzer Jahrgänge geschaffen. Doch auch er bleibt vorsichtig: Ob die Strategie der Freiwilligkeit allein ausreicht, stehe auf einem anderen Blatt. Und er mahnt: Die Option einer Pflicht müsse weiter bereitliegen. Positiv hebt Wüstner hervor, dass der niedrigschwellige Einstieg erhalten bleibe und zudem auf weitere Freiwilligendienste hingewiesen werde. Für die Zukunft fordert er aber weitere Reformen, „damit der Dienst für langjährige Soldaten überhaupt attraktiv genug wird".
Sara Nanni von den Grünen bringt eine weitere Sorge ins Spiel: Sie befürchtet, dass die Möglichkeit einer Wehrpflicht im Hinterkopf das Personalwesen der Bundeswehr zu träge macht, sich für freiwillige Angebote überhaupt zu bemühen. Ob die angekündigten flächendeckenden Musterungen überhaupt pünktlich anlaufen, zieht sie leise in Zweifel. Für sie ist die SPD klar Sieger der Verhandlungen, aber wirklich überzeugt klingt sie dabei nicht.
Noch deutlicher wird Jan van Aken von der Linkspartei. Er sieht in den Plänen faktisch die Vorbereitung eines Zwangsdienstes – und lehnt das rundweg ab. Sein Misstrauen speist sich auch daraus, dass die europäischen Länder, wie er betont, ohnehin schon über mehr Soldaten verfügen als Russland. Van Aken moniert zudem, dass der Staat angesichts anderer gesellschaftlicher Herausforderungen – Wohnungskrise, steigende Preise – ausgerechnet die Jüngsten zum Dienst verpflichten möchte. "Meine Familie jedenfalls wird sich an solchen Mustern nicht beteiligen!", so sein klares Statement.
Die geplante Reform des Wehrdienstes entpuppt sich als klassischer Zankapfel: Während die Regierungskoalition auf einen Kompromiss mit Fokus auf Freiwilligkeit setzt, monieren Kritiker von Schüler- bis Interessenverbänden soziale und bildungspolitische Versäumnisse. Dennoch wird der Beibehalt und Ausbau freiwilliger Angebote durchaus positiv gesehen – aber die Sorge bleibt, dass ohne tiefgreifendere Reformen und Investitionen weder die Truppe noch die Nachwuchsförderung wirklich gesichert sind. Die politische Debatte kreist außerdem immer wieder um die Frage: Reicht ein System der Freiwilligkeit oder steuert die Bundeswehr am Ende doch wieder in Richtung Pflicht?
Erweiternd lässt sich feststellen: In aktuellen Medienberichten wird auch auf die außenpolitische Dimension hingewiesen, insbesondere angesichts der sicherheitspolitischen Spannungen in Europa. Zeitgleich werden Stimmen laut, die auf die ungleiche soziale Verteilung möglicher Wehrpflichten hinweisen. Eine von der Bundeswehr gestartete Online-Kampagne zur Nachwuchsgewinnung erfährt durch die Debatte neue Aufmerksamkeit, ebenso wird in einigen Artikeln explizit auf Erfahrungen anderer europäischer Länder mit Wehrdienstreformen eingegangen.