Die Ausstellung "Argonauten des Ideals" ist das Ergebnis jahrelanger, teils detektivischer Recherche der Kuratorin Anna Habánová – sie hat Archive in Tschechien und darüber hinaus durchstöbert. Im Fokus steht Liberec (Reichenberg) als Schmelztiegel künstlerischer und gesellschaftlicher Umbrüche, getrieben von Industrialisierung und den Bruchstellen der Geschichte. Erich Posselt, ein heute fast vergessener Dichter, wollte bereits vor dem Ersten Weltkrieg ambitionierte junge Leute zusammenbringen, die das künstlerische Ideal suchten – Argonauten eben. Die Nachkriegszeit, vor allem die Zwanziger, sah dann tatsächlich eine explosive Entwicklung im Kunstleben. Die rund 200 gezeigten Werke führen von der akademischen Malerei über die Einflüsse von Expressionismus und Neuer Sachlichkeit bis zu Grafiken, Skulpturen, Plakaten und überraschend modern wirkenden Ideen. Bemerkenswert ist die Präsentation von Werken beider Sprachräume – das ist alles andere als selbstverständlich und spürbar ein Statement für kulturelle Vielfalt. Ein weiteres Kapitel widmet sich den Isergebirgslandschaften, aber auch der sogenannten "Oktobergruppe" – einer Künstlervereinigung der Zwischenkriegszeit, die in Reichenberg kurzzeitig für Furore sorgte. Nachzulesen sind viele Hintergründe übrigens auch in einem neu erschienenen Buch zur Ausstellung. Für Kinder (und Junggebliebene) gibt's eigene Mitmachangebote, Lehrer können sich in Workshops inspirieren lassen – und Führungen, auch auf Deutsch, stehen auf dem Begleitprogramm. Ach ja, die Finanzierung – dafür sprang unter anderem der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds ein.
Die Ausstellung „Argonauten des Ideals“ im Museum Liberec verdeutlicht, wie sehr die kulturelle Identität Nordböhmens von einer regen, deutsch- und tschechischsprachigen Kunstszene geprägt wurde – und dass viele dieser Stimmen heute erst wiederentdeckt werden. Besonders die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg brachte in Liberec eine künstlerische Aufbruchsstimmung, die sich im Miteinander und Gegeneinander verschiedener Stile und Sprachen zeigte. Ergänzend zur Ausstellung gibt es eine gleichnamige Publikation, ein pädagogisches Begleitprogramm und die bewusste Einbindung deutscher und tschechischer Perspektiven – was Neugierige und Historiker gleichermaßen anzieht.
Zusätzlich zeigen aktuelle Recherchen, dass Ausstellungen wie diese in ganz Europa – besonders im ehemaligen Sudetenland – im Trend liegen, da sie einen Zugang zu verlorengegangener Vielfalt und kollektiven Erinnerungen herstellen. In Tschechien werden sie häufig von Initiativen begleitet, die darauf zielen, auch jüngere Generationen einzubinden (laut taz.de). Weiterhin ist die künstlerische Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte Nordböhmens gerade heute – inmitten neuer Debatten um Identität und Erinnerung – ein wichtiges Thema in der tschechisch-deutschen Kulturlandschaft (siehe zeit.de). Und: Trotz zahlreicher regionaler Ausstellungen dieser Art bleibt das Zusammenführen so vieler Werke und Quellen – wie die 200 Exponate in Liberec – eine absolute Seltenheit, was das Projekt weit über die Landesgrenzen hinaus bemerkenswert macht (laut faz.net).