Es kommt selten vor, dass sich Konservative und rechte Parteien aller Couleur so einig sind wie am Donnerstag im EU-Parlament. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass das Lieferkettengesetz künftig nur noch für Unternehmen mit über 1.750 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro Jahresumsatz gilt. Ein ziemlicher Einschnitt – nicht zuletzt, weil vorher deutlich mehr Betriebe unter die Richtlinie gefallen wären.
Im Oktober war die erste Abschwächung der Lieferkettenregeln noch am Widerstand der Sozialdemokraten und Grünen gescheitert. Nach zähem Tauziehen an den Fraktionsspitzen stellte die EVP kurzerhand einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung, den rechten Parteien gefiel – die Mehrheit war gesichert.
So sieht sich der CSU-Politiker Manfred Weber, seines Zeichens Chef der EVP-Fraktion, auf der Gewinnerseite. Auf X (früher Twitter) betonte er, es gehe ihm um Bürokratieabbau und um die Entlastung des Mittelstands. Wachstum und weniger Papierkram – so lautet das Motto.
Doch es gibt durchaus andere Stimmen. SPD-Politiker René Repasi zeigt sich bitter enttäuscht, und auch Grüne und Linke halten von der „Aufweichung“ gar nichts. Ein Kompromiss zwischen demokratischen Kräften sei torpediert worden, kritisiert Repasi scharf. Für Terry Reintke (Grüne) wiegt das Ergebnis schwer: Schutz vor Kinderarbeit und Umweltzerstörung sei nun auf dem Altar des politischen Kalküls geopfert worden. Auch Stimmen von links sehen die Verantwortung bei den Konservativen, denen es gelungen ist, gemeinsam mit extrem rechten Kräften einen „Deregulierungsweg im Interesse großer Konzerne“ durchzusetzen.
Von noch weiter oben, sprich: aus Reihen der Mitgliedsstaaten, kam bereits im Sommer der Vorschlag, die Regeln auf wirkliche Großkonzerne zu beschränken – mit Grenzwerten jenseits der 5.000-Beschäftigten-Marke und 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz. Das wäre, geht es nach offiziellen Schätzungen, ein Freifahrtschein für die Mehrheit der EU-Unternehmen. Und spätestens jetzt sieht es so aus, als ob sich diese Linie durchsetzt: Verantwortung wird nach unten verschoben – auf dem Papier jedenfalls.
Die jüngsten Entwicklungen um das EU-Lieferkettengesetz markieren einen politischen Richtungswechsel: Unter starkem Druck von Konservativen, insbesondere der EVP, und Rechten wurde das Gesetz spürbar abgeschwächt. Damit sollen vor allem kleinere und mittlere Unternehmen entlastet werden, während Kritiker massive Nachteile für Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz sehen. Gleichzeitig bleibt unklar, wie Europas Wirtschaft nun tatsächlich kontrollieren soll, dass keine gravierenden Verstöße in den globalen Lieferketten passieren.
Laut der Zeit (6. Juni 2024) hat das EU-Parlament die Standards im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag so gesenkt, dass absehbar deutlich weniger Unternehmen Berichtspflichten und Sorgfaltspflichten erfüllen müssen (Quelle: [Zeit](https://www.zeit.de)). Ein Artikel der Süddeutschen berichtet, dass viele NGOs und Gewerkschaften von einem Rückschritt sprechen und weitere Folgen für die Glaubwürdigkeit der EU erwarten (Quelle: [Süddeutsche](https://www.sueddeutsche.de)). Auf der Webseite der Deutschen Welle werden Stimmen verschiedener Parteien abgebildet, die Frage der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen wird dabei ebenso diskutiert wie das Risiko zunehmender sozialer und ökologischer Missstände (Quelle: [DW](https://www.dw.com)).