Manchmal muss man wohl zugeben, dass man die falsche Brille getragen hat. Georg Maier, SPD-Mann und Innenminister in Thüringen, blickt jedenfalls mit spürbarem Unbehagen auf die vergangenen Jahre zurück und erkennt jetzt: "Wir hätten viel genauer hinschauen müssen, als sich neue, oft aus dem Ausland stammende, antisemitische Strömungen in gewissen migrantischen Gruppierungen formierten." Offenbar ging man – so Maier – davon aus, dass Menschen, die in ihren Herkunftsländern unter repressiven Verhältnissen litten, in Deutschland automatisch die Werte einer freien, offenen Gesellschaft annehmen würden. Ein Trugschluss, wie immer deutlicher wird.
Maier bleibt dabei zwar klar: Ein fahrlässiges Wegsehen will er nicht einräumen – vielmehr sei man schlicht zu optimistisch gewesen. "Vielleicht hätten wir manches forscher hinterfragen müssen, mit mehr Ressourcen und gelegentlich auch weniger Toleranz gegenüber intoleranten Haltungen." Die Realität hat eingeholt, was vorher offener Wunsch war: Jüdisches Leben steht erneut im Fadenkreuz – oft wird dabei das politische Handeln Israels als Legitimation für Hetze missbraucht, was nie und nimmer akzeptabel sein kann.
Jetzt kündigt Maier, deutlich resoluter im Ton, neues Vorgehen an: Im Dezember soll auf der Innenministerkonferenz nicht nur geredet, sondern durchgegriffen werden. Netzhetze oder antisemitische Taten auf der Straße – beides müsse der Rechtsstaat nun mit aller Schärfe ahnden. Nicht nur das: Für Ausländer, die sich in diesem Zusammenhang strafbar machen, soll Antisemitismus zum unmittelbaren Abschiebungsgrund werden. Übrigens: Wer sich einbürgern will, so Maiers letzter Punkt, müsse sich fortan unmissverständlich zum Existenzrecht Israels bekennen – als klares Signal, was in Deutschland nicht verhandelbar ist.
Maier beschreibt, stellvertretend für viele Verantwortliche, die eigene Naivität im Umgang mit importiertem Antisemitismus in Migrantengruppen und bekennt Fehler in der bisherigen Integrationspolitik. Seine Vorschläge für ein härteres Vorgehen greifen dabei die Dringlichkeit auf: konsequente Strafverfolgung, klare Einbürgerungsregeln und schärfere Abschiebegesetze. Inzwischen ist abzulesen, dass die deutsche Politik – auch angesichts des Nahost-Konflikts und wachsender antisemitischer Vorfälle seit Oktober 2023 – unter erhöhtem Handlungsdruck steht; diverse Experten und Initiativen kritisieren schmerzhaft, wie sehr das Sicherheitsgefühl jüdischer Bürger aktuell leidet und rufen nach mehr als nur symbolischen Reaktionen. Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen konkrete Maßnahmen wie engmaschigeren Polizeischutz für jüdische Einrichtungen, ein ressortübergreifendes Forum gegen Antisemitismus und einen verbesserten Opferschutz beschlossen – das Echo aus den Gemeinden schwankt zwischen vorsichtigem Zuspruch und skeptischer Erwartung (Stand: Juni 2024, vgl. Berichte in der Süddeutschen und Zeit).