"In einer derart bedeutsamen Angelegenheit darf keine bloße Hoffnung als Handlungsgrundlage dienen; ein weiteres Zuwarten angesichts der besorgniserregenden sicherheitspolitischen Lage wäre fahrlässig", betonte Röttgen gegenüber T-Online am Montagabend.
Er bemängelte insbesondere, dass Pistorius' Pläne keine eindeutigen Kriterien enthalten, wann und wie die Wehrpflicht aktiviert werden sollte, falls Freiwillige für die Bundeswehr fehlen. Mit Blick auf die kommende parlamentarische Debatte fordert Röttgen: "Wir müssen jetzt feste Schritte beschließen, die den Übergang von einem freiwilligen zu einem verpflichtenden Wehrdienst regeln, falls das erforderlich wird, um unsere Verteidigungsziele zu erreichen." Er unterstreicht zudem, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, sich an Schwedens Modell für den Wehrdienst zu orientieren.
Röttgen hebt den erheblichen finanziellen Spielraum hervor, den die Regierung durch die Ausnahme von der Schuldenbremse im Verteidigungshaushalt geschaffen hat: "Nun gilt es, diese finanziellen Möglichkeiten auch personell auszufüllen. Dabei müsse die Zahl der aktiven Soldaten bis 2035 auf 260.000 anwachsen."
Bereits seit Wochen äußern Unionsabgeordnete deutliche Kritik, dass Pistorius' Vorschläge zum Wehrdienst nicht weitreichend genug seien. CDU-Außenexperte Johann Wadephul legte am Donnerstag einen sogenannten Leitungsvorbehalt gegen das Gesetz ein, zog diesen aber nach interner Beratung zurück. Röttgen stellte sich hinter Wadephuls Vorgehen: "Ich verstehe sein Handeln sehr gut. Angesichts der sicherheitspolitischen Verantwortung kann er kein Gesetz durchwinken, das in diesem fundamentalen Bereich nicht den realen Anforderungen entspricht."
Norbert Röttgen (CDU) äußert starke Bedenken gegenüber Boris Pistorius und fordert klare Kriterien für eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht, sollten Freiwillige ausbleiben. Er mahnt verbindliche, im Gesetz verankerte Meilensteine an und pocht auf die Beachtung des Koalitionsvertrags, der das schwedische Modell zur Orientierung vorgibt. Angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gewinnt diese Debatte zunehmend an Brisanz: Laut aktuellen Recherchen der FAZ und Süddeutschen Zeitung sind sich Experten einig, dass Deutschland seine Verteidigungskapazitäten signifikant ausbauen muss, um die NATO-Verpflichtungen zu erfüllen und um im internationalen Verteidigungsfall handlungsfähig zu sein. Die Wehrpflicht-Frage ist auch in weiteren europäischen Ländern präsent: Schweden hat jüngst für einen verstärkten Wehrdienst plädiert, und zahlreiche NATO-Partner setzen angesichts des angespannten Sicherheitsumfeldes wieder verstärkt auf Wehrpflicht- oder Verpflichtungsmodelle. Gleichzeitig gibt es innerhalb der Ampel-Koalition anhaltende Diskussionen, ob mehr Anreize zur Freiwilligkeit tatsächlich genügen oder klare gesetzliche Vorgaben für den personellen Ausbau der Bundeswehr nötig sind.