„Jetzt reicht’s, wir brauchen ein deutliches Stoppsignal – auch für die eigene Parteispitze“, meint Aziz Bozkurt, Staatssekretär für Soziales in Berlin. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel wirft er der SPD-Führung vor, den sozialdemokratischen Kompass zu verlieren, wenn sie auf Stimmungslagen wie härtere Sanktionen mit Anpassung reagiert. Als Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt ist Bozkurt alles andere als ein Einzelkämpfer – er spricht für etliche Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die die Richtung der Sozialpolitik entschieden kritisieren.„Die Diskussion über das Bürgergeld darf nicht mit Symbolpolitik abgelenkt werden“, findet er – und blickt dabei streng Richtung Führungsetage: Statt nach Umfragewerten oder populären Narrativen zu schielen, solle man sich auf die Ursachen sozialer Not konzentrieren und konsequent an Lösungen hierfür arbeiten. Ein wie auch immer geartetes Hinunterkürzen von Leistungen, bis hin zur Wohnungsgefährdung, sei in seinen Augen verantwortungslos und vergrößere nur die Angst vor sozialem Abstieg.Besonders an Lars Klingbeil, dem Parteichef, geht Bozkurt diesmal ungewöhnlich scharf ran: Angeblich ähnele sein Handeln fast schon der umstrittenen Agenda-Politik à la Schröder – ein Vorwurf, der in der SPD bekanntlich nachhallt. Kommunen, die sich dank steigender Sozialausgaben inzwischen finanziell überfordert sehen, müssten laut Bozkurt vielmehr echte Unterstützung erhalten – pauschale Sanktionen helfen da wenig.Statt Resignation herrscht bei Bozkurt und den Erstunterzeichnern auffällige Zuversicht: „Wir bringen das Begehren durch – der Druck wächst!“ Sobald ein Fünftel der SPD-Mitglieder unterzeichnen, muss die Partei sich mit ihren Forderungen auseinandersetzen. Und noch ist der parlamentarische Prozess im Fluss: Schärfere Sanktionen zu verhindern – das bleibt erklärtes Ziel.
Im Kern entbrennt ein innerparteilicher Streit darüber, inwieweit die SPD – Partei der sozialen Gerechtigkeit – bereit ist, Zugeständnisse an den allgemein wachsenden Ruf nach Leistungskürzungen und Sanktionen beim Bürgergeld zu machen. Aziz Bozkurt, als profilierter Sozialpolitiker innerhalb der SPD, betont, dass kurzfristige und populistische Maßnahmen die sozialen Realität verschleiern statt lösen. Während die Parteiführung zunehmend unter politischen und öffentlichem Druck gerät, nimmt der parteiinterne Widerstand zu: Mitglieder fordern eine Rückbesinnung auf solidarische Grundwerte und nachhaltige Investitionen in kommunale Sozialstrukturen. Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung gibt es hinter den Kulissen intensive Gespräche innerhalb der Ampelkoalition; SPD-intern wird eine stärkere Demokratisierung der Entscheidungsprozesse gefordert, verbunden mit der Angst, alte Fehler der Agenda-2010-Ära zu wiederholen. Die Debatte spiegelt sich auch in der öffentlichen Medienlandschaft wider, wo etwa die Debatte um das Bürgergeld als Indikator für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft betrachtet wird. In der Zwischenzeit hat der Bundesrat das Vorhaben zur Verschärfung der Sanktionen im Bürgergeld an den Vermittlungsausschuss verwiesen, was den Reformprozess weiter verlangsamt und der parteiinternen Diskussion zusätzliche Bedeutung verleiht.