Es klingt ein bisschen wie ein Déjà-vu der Klimaforschung: Kaum schaut jemand genauer hin, entpuppt sich die Situation als noch prekärer. Laut einer neuen Studie der Universität Greifswald, die kürzlich im Fachjournal Nature Communications erschienen ist, liegen die jährlichen klimaschädlichen Emissionen aus entwässerten Mooren deutlich über den bisherigen Schätzungen. Diese Differenz ist nicht mal geringfügig, sondern entspricht ziemlich genau dem CO2-Ausstoß, den der gesamte europäische Flugverkehr verursacht – das muss man sich mal vorstellen. Die Forscher haben eine Art "Landkarte der Problemzonen" erstellt, auf der deutlich wird, wo die Emissionen besonders hoch sind und wo es sich besonders lohnen könnte, Moore wieder zu vernässen. Klar, Hotspots sind vor allem die Küstenbereiche rund um die Nordsee (etwa Nordwestdeutschland, Niederlande, Teile Südost-Englands), daneben aber auch Ostdeutschland, die Baltischen Staaten, Ostpolen und die irische Insel. Laut Studie entfallen ungefähr 40 Prozent der gesamten Emissionen aus entsorgten Mooren auf diese Zonen – im Prinzip Brennpunkte, an denen große, zum Teil tief entwässerte Moorlandschaften und intensive landwirtschaftliche Nutzung zusammenkommen. Verrückt ist: In Nordwestdeutschland und den angrenzenden Regionen sorgt eine Mischung aus massiver Moorentwässerung und intensiver Agrarwirtschaft dafür, dass erstaunliche 20 Prozent der Gesamt-Emissionen auf nur etwa 4 Prozent der europäischen Moorflächen entfallen. Ähnlich dramatisch ist es in Ostdeutschland. Dort sind es zwar vor allem flachere, aber flächenmäßig riesige Moore, die für die Landwirtschaft nutzbar gemacht wurden – mit den bekannten, unangenehmen Nebenfolgen fürs Klima. Fazit der Forscher: Gerade in diesen stark belasteten Gebieten gibt es ein erhebliches Potenzial für gezielte Klimaschutzmaßnahmen, falls der Wille zur Renaturierung tatsächlich da ist. Am Ende bleibt doch eine offene Frage: Warum werden solche Zahlen nicht schon längst in großen Lettern diskutiert?
Die vorliegende Studie aus Greifswald deckt auf, wie groß das Problem entwässerter Moore in der EU wirklich ist: Mit Emissionen, die fast doppelt so hoch wie bisher angenommen ausfallen, sind entwässerte Moore damit eine tickende Zeitbombe für das Klima. Besonders bemerkenswert ist, wie stark einzelne Regionen ins Gewicht fallen, etwa Nordwestdeutschland und das Baltikum – mit wenigen Prozent der Moorfläche verursachen sie einen überproportional großen Anteil der Emissionen. Trotz des enormen Reduktionspotenzials solcher Maßnahmen wird die Wiedervernässung politisch kontrovers diskutiert; Konflikte mit der Landwirtschaft und der wirtschaftlichen Nutzung bremsen die Fortschritte. Laut aktuellen Berichten – beispielsweise der Süddeutschen Zeitung oder der taz – wird die Renaturierung von Mooren teils durch fehlende politische Einigkeit und finanzielle Unsicherheiten erschwert, obwohl sie als eine der schnell wirksamsten Maßnahmen zum Klimaschutz gilt. Hinzu kommt: Die wissenschaftliche Community fordert inzwischen an mehreren Stellen, dass die EU ihre Berichterstattungen und Strategien zur Erfassung von Treibhausgasen aus Mooren nachschärfen muss – sowohl, um die Verpflichtungen gegenüber dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen als auch, weil die EU-Moorflächen global eine erhebliche Rolle spielen. Außerdem fängt in einigen Pilotregionen bereits ein Umdenken an: Projekte zur Paludikultur, bei denen nasse Moore nachhaltig bewirtschaftet werden, zeigen wirtschaftliche Perspektiven jenseits klassischer Entwässerungslandwirtschaft auf.